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In Österreich gibt es immer weniger nicht von privaten Firmen bezahlte Tests von Wirkstoffen an Patienten

Foto: APA/dpa/Peter Endig

Wien - In Österreich gibt es praktisch keine Forschungsgelder für unabhängige Arzneimittelstudien. Das bemängelten Wissenschafter der Medizinischen Universität Wien (MUW) anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Ethikkommission der MUW und des Wiener AKH. Das unabhängige und ehrenamtlich besetzte Gremium begutachtete alleine im Vorjahr knapp 750 klinische Untersuchungen vorab auf ethische Fragestellungen.

Weniger akademische Wirkstofftests

Während die Arbeit für die Ethikkommission seit 1978 kontinuierlich zugenommen hat, hält sich an der MUW die Zahl der durch die Industrie bezahlten Arzneimittelstudien seit mehreren Jahren konstant bei rund 100 pro Jahr. Die Anzahl der akademischen - also nicht von privaten Firmen bezahlten - Tests von Wirkstoffen an Patienten sei dagegen von 2003 mit ebenfalls rund 100 auf derzeit 50 bis 60 gesunken, berichtete Kommissionsvorsitzender Ernst Singer.

Kritik an lukrativen Medikamenten

MUW-Rektor Wolfgang Schütz bemängelte, dass es in Österreich keine Einrichtung gäbe, welche derart unabhängige Forschungen fördere. "Der FWF könnte es, tut es aber nicht", sagte Schütz und vermutet, dass sich der Wissenschaftsfonds "von dieser heißen Kartoffel" fernhalte.

Eine negative Konsequenz dieser Entwicklung ist für den MUW-Rektor, dass hauptsächlich finanziell lukrative Medikamente auf den Markt kommen. "Auch für bereits lange zugelassene Medikamente gibt es in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder Hinweise auf neue Indikationen oder auch neue Nebenwirkungen", sagte Schütz. Fehlt der monetäre Anreiz für die Firmen für neuerliche klinische Studien, versickern solche Hinweise mangels finanzieller Ausstattung der akademischen Welt im Sand.

Seltene Krankheiten unberücksichtigt

Ein Extremeffekt solche Entwicklungen auf internationaler Ebene sei etwa, dass Medikamente für seltene Krankheiten, oder auch für Krankheiten, welche vor allem Arme betreffen, gar nicht entwickelt werden, sagte Christiane Druml, Geschäftsführerin der Ethikkommission. Druml ist auch Vorsitzende der Bioethik-Kommission beim Bundeskanzleramt. Dieses Gremium beschäftigt sich im Gegensatz zur Ethikkommission der MUW nicht mit konkreten Forschungsvorhaben, sondern mit allgemeinen ethischen Fragen der Forschung und der Gesellschaft.

Aufgaben der Ethikkommission

Alle klinischen Forschungsprojekte an der MUW und am AKH müssen der Ethikkommission vorgelegt werden. Als Kernaufgabe der Einrichtung sieht Singer den Schutz der Patienten und die Wahrung deren Rechte. So sei es immer wieder problematisch, dass das einzuhaltende Studiendesign den Arzt teilweise seiner freien Willensentscheidung beraube, wie er einen Patienten behandelt. Im Kreuzfeuer der Kritik stehen auch häufig sogenannte Placebo-Studien, wobei ein Teil der Testpersonen keinen Wirkstoff verabreicht bekommt. Die Kommission durchleuchtet aber auch Interessenskonflikte, wenn Wissenschafter etwa gleichzeitig finanzielles Interesse am Ausgang einer Studie haben.

Von den jährlich eingereichten Projekten gibt es laut Singer nur bei fünf Prozent keine Beanstandungen. Bei der Mehrzahl der Anträge gibt es Verbesserungswünsche, etwa die Informationen für die Patienten betreffend. Abgelehnt werden Projekte beispielsweise dann, wenn das zu erwartende Risiko für die Patienten in keinem Verhältnis zum erwartenden Nutzen steht. Derzeit ist das bei rund 14 Prozent der Anträge der Fall. (APA)