Karikatur: Oliver Schopf

Die Kommentare der Kollegen waren höchst unterschiedlich, sie reichten von "richtig" und "mutig" bis "sehr riskant" und "kurzsichtig". Für die Anwaltskanzlei Schönherr ist die weitere Expansion nach Zentral- und Osteuropa jedoch - auch oder besser gesagt gerade in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität - der einzig gangbare Weg. Deshalb wird die Sozietät gleich drei weitere Büros in Polen, Tschechien und der Slowakei mit 1. Jänner 2009 eröffnen, gab Christoph Lindinger, Managing Partner, Anfang Dezember bekannt. Skeptiker hatte Lindinger - wie er zugibt - auch in den eigenen Reihen zu überzeugen: "Natürlich gibt es eine Wirtschaftskrise, aber die meisten scheinen zu vergessen, dass man von einer Rezession nur in der Eurozone, nicht aber in den CEE-Staaten sprechen kann. Dort wird nur eine geringere Wachstumsrate prognostiziert, statt 4,5 Prozent nur 2,5 oder 2 Prozent." Jetzt nicht der eigenen Überzeugung - nämlich die Chancen Osteuropas zu nutzen - treu zu bleiben, hielte Lindinger aus unternehmerischer Sicht für einen fatalen Fehler.

Auch bei DLA Piper wird Optimismus versprüht. Die internationale Kanzlei eröffnete vor kurzem in Bukarest eine Niederlassung: "Wir sind sicher, dass es ganz wichtig ist, in Osteuropa dranzubleiben" , sagt Partner Ivo Deskovic. "In Rumänien kann man unter den Menschen eine Aufbruchstimmung wahrnehmen, die man in unseren Gefilden nirgends finden kann. Die Leute krempeln die Ärmel hoch und arbeiten an einer guten Zukunft."

Was Deskovic als Zuversicht wahrnimmt, halten andere eher für Naivität: "Osteuropa wird von der Wirtschaftskrise besonders betroffen sein", meint Günther Horvath, Partner der weltweit tätigen Lawfirm Freshfields: "Die Verunsicherung unter den ausländischen Investoren ist groß. Wenn es ökonomisch noch schlechter wird, findet sich niemand mehr, der sein Geld in die Ukraine oder nach Weißrussland bringen wird."

Freshfields (damals Heller Löber Bahn) war eine der ersten Kanzleien, die Anfang der 90er-Jahre mit Standorten in Budapest, Bratislava und Prag den Schritt in den Osten wagten. Andere österreichische Kanzleien zogen nach. Heute hat Freshfields längst alle Niederlassungen in den CEE-Staaten zugesperrt, was alle Partner für richtig halten: "Wir spielen mit unseren Causen in einer Liga, für die eine Repräsentanz vor Ort einfach nicht erforderlich ist", sagt Willibald Plesser, Managing Partner CEE. "Um den Bau von Kraftwerken oder Pipelines juristisch zu begleiten, brauchen sie absolute Spezialisten. Die sitzen bei uns in London, Paris und Frankfurt und nicht in Belgrad." Für die Klärung kleinerer Rechtsfragen, die bei solchen Mandaten anfallen würden, bediene sich Freshfields guter, lokaler Kanzleien. Eigene Büros würden sich für "solche Peanuts" nie und nimmer rechnen, so Plesser.

Jene Kanzleien, die von einer Ostexpansion in den letzten Jahren abgesehen haben, fühlen sich nun bestätigt. Raoul Hoffer von Binder Grösswang: "Früher wurde es oft als Wettbewerbsnachteil gesehen, heute empfinden wir es hingegen als großen Vorteil, keine eigenen Standorte im Osten zu haben. Wir sind nämlich von der wirtschaftlichen Entwicklung dort völlig unabhängig, müssen keine Schäfchen ins Trockene bringen so wie andere." Auch Martin Brodey, Managing Partner von Dorda Brugger Jordis, ist froh, dass sein Unternehmen seit jeher auf das Best- Friends-System gesetzt hat: "Wir haben jetzt nicht mit schlechten Umsätzen und gleichzeitig enormen Fixkosten zu kämpfen, die Büros in Osteuropa verursachen."

Kleinspurigkeit als Vorteil

Bei Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati (CHSH) beobachtet man die Situation mit Wachsamkeit, aber auf die Idee, einzelne, weniger lukrative Büros zu schließen, ist niemand gekommen. Managing Partner Albert Birkner: "Der Osten wird schlechter geredet, als er de facto ist, tatsächlich lassen sich dort gute Geschäfte machen. Wir haben den großen Vorteil, dort nie großspurig unterwegs gewesen zu sein. CHSH hat nirgends mit riesigen Mannschaften, sondern überall mit wenigen Juristen und in kleinen Büros begonnen zu arbeiten" - nur wenn es Gewinne und Umsätze gerechtfertigt hätten, seien die Teams verstärkt worden.

Trotz dieser Zuversicht sieht CHSHvon weiterer Expansion lieber ab. Die für 2009 geplante Öffnung von Kanzleien in der Türkei und der Ukraine hat man, so Birkner, vorerst verschoben.

Bei enwc Rechtsanwälte, die vor kurzem ihr zehnjähriges Jubiläum in Prag feierten, hält man an Expansionsplänen nach Sofia und Mailand hingegen fest. Partner Raimund Cancola: "Wer sich auf große Transaktionen und hohe Stundensätze konzentriert hat, hat ein größeres Problem als diejenigen, die sich als kleinere Kanzleien lokal etablieren und sich von der Art des Geschäftes her breiter aufstellen." (Judith Hecht, DER STANDARD, 10.12.2008)