Wer ist schuld an der Finanzkrise? Bei einer Podiumsdiskussion des Finanzmarketingverbandes Österreich (FMVÖ) vergangene Woche schoben Finanzmanager wie Investkreditchef Wilfried Stadler, RZB-Vorstand Patrick Butler und der ehemalige Generaldirektor der Wiener Städtischen, Siegfried Sellitsch, die Verantwortung den Rechnungslegungsprinzipien des IFRS, die zu einer tagesaktuellenBewertung von Assets zwingt und keine Bildung von stillen Reserven zulässt, sowie den Basel-II-Eigenkapitalvorschriften für Banken zu.

Beide Systeme würden prozyklisch wirken, weil sie im Aufschwung die Kreditvergabe der Banken aufblähten, die dann in der Krise dramatisch zurückgefahren werden müsse. Stadler bezeichnete vor allem Basel IIals eine Gefahr für das Bankwesen, während Sellitsch kritisierte, dass IFRSbei steigenden Zinsen zu einer Abwertung von Anleihen zwinge, selbst wenn die Papiere bis zur Fälligkeit gehalten werden.

Täuschungsmöglichkeiten

Wirtschaftsprüfer sehen die Sache etwas differenzierter. Michael Schober, Chef der Audit-Abteilung bei Deloitte, hält es sehr wohl für problematisch, dass etwa Immobiliengesellschaften dank Gutachten unverwirklichte Gewinne in ihren Büchern so abbilden können, dass ein Großteil der Performance auf "unbaren Gewinnen" basiert. Aber auch bei Abschlüssen unter dem alten Handelsgesetzbuch (HGB - heute Unternehmensgesetzbuch UGB) hätte es Möglichkeiten zur Anlegertäuschung gegeben, etwa die versteckte Auflösung stiller Reserven, wenn es einem Unternehmen schlechtgeht.

Das Prinzip, alle Vermögenswerte zu den Anschaffungskosten zu bewerten "war nicht schlecht, aber es führt auch zur Intransparenz", sagt Schober. Unter beiden Systemen sollten sich Analysten und Anleger stärker auf den Cashflow konzentrieren, um die Finanzstärke eines Unternehmens zu beurteilen.

Helmut Maukner, Geschäftsführer von Ernst &Young Austria, bezeichnet IFRSals "eine Finanzsprache, die nicht schuld an der Krise sein kann. Das Problem ist, dass wir alle noch in Strukturen des UGBdenken und dies auf IFRS-Abschlüsse anwenden." Das IFRS sei komplexer als die alten Rechnungslegungsprinzipien und zwinge den Abschlussprüfer zu detaillierten Anmerkungen. "Man müsste noch viel mehr in die Notes hineinschreiben, und die Analysten müssten diese viel genauer lesen, um sich ein Urteil bilden zu können. Aber es ist halt einfacher, bloß auf ein Rating zu schauen", sagt Maukner.

Bei Basel IIsieht er das Problem, dass die Europäer ein in den USA erfundenes System "viel zu europäisch umsetzen. In Amerika wird es viel weniger beachtet." (ef, DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2008)