Bild nicht mehr verfügbar.

Angst vor dem Holzholen: ein Flüchtlingscamp in der Nähe von Goz Beida an der sudanesischen Grenze

Foto: Reuters/O'Reilly

Ein Lokalaugenschein im Tschad.

*****

Der Diktator ist überall. Idriss Déby Itno schaut sogar auf den Generalsekretär von Goz Beida, Mahammat Ali Rhama, herab. Goz Beida ist ein Kaff im Osten des Landes, unweit der sudanesischen Provinz Darfur. "Für mein Vaterland" steht unter dem Foto des Präsidenten, der von Soldaten umjubelt wird. Herr Rhama interessiert sich zurzeit aber eher für Banditen. Wegen der zunehmenden Überfälle ist etwa das Flüchtlingscamp Dogdoré mit 21.000 Menschen seit Monaten ohne Versorgung.

Seit Oktober haben alle Hilfsorganisationen aus Angst bereits Dogdoré verlassen. Und die 3700 europäischen Soldaten, die Eufor, die seit März im Tschad ist um die Flüchtlinge zu schützen? "Sie kaufen bei uns am Markt Sachen ein" , sagt Rhama. "Was sollen sie sonst tun?" Erst kürzlich sei ein Wagen einer NGO überfallen worden und man habe die Eufor gerufen. Aber die habe gesagt:"Das ist nicht unser Mandat."

Colonel Kieran Brennan ist stolz darauf, dass er zu den lokalen Behörden so gute Kontakte hat. Er ist stolz, dass seine Männer innerhalb von zehn Minuten "ready to go" sind, dass der Puma-Helikopter jederzeit zur Evakuierung bereitsteht, dass das Eufor-Camp Ciara in Goz Beida mit ewta 400 irischen Soldaten seit 8. November "voll operativ" ist und dass sie gestern den Besuch von Cindy McCain so gut gemanagt haben. "In Dogdoré gibt es ein Machtvakuum" , erklärt Brennan. Die Eufor fahre einmal in der Woche auf Patrouille dorthin. "Aber wir sind keine Polizei" , fügt er hinzu. Brennans Power Point funktioniert, die Air-Condition funktioniert. 60 Millionen Euro kostet das Camp Ciara im Jahr 2008.

Gerüchte über Rebellenangriffe

Die Zeltstadt ist von einem hohen Erdwall umgeben, in der Kantine kann man"Ghost" von Robert Harris, "Cell" von Stephen King oder Tim Butchers "Blood River" lesen. Neben dem grünen Schild mit der Aufschrift "Dublin" in der Mitte des Lagers stehen zwei Militärfahrzeuge. Die tschadischen Esel wirken daneben wie Hündchen. In dem Posten an der Ecke des Lagers schiebt ein blasser Ire zwei Stunden Wache. Die Luft ist wie eine warme Suppe. Das Gestrüpp verschwimmt. Der Sand färbt die Hosen gelb.

Und die Rebellen aus dem Sudan, die die Eufor zurückhalten soll, um die Flüchtlinge zu schützen? Es gebe viele Gerüchte, aber die stellten sich meistens als unwahr heraus, sagt Kommandant John Anderson. Das letzte Mal seien die Rebellen am 14. Juni über die Grenze nach Goz Beida gekommen. Und dann wieder abgezogen. "Aber wer weiß schon, wo die Grenze ist?"

Marim Abdullaye zum Beispiel. Sie ist vor fünf Jahren aus ihrem Dorf Zartir in Darfur vertrieben worden. "Zuerst hat die Regierung das Dorf aus der Luft beschossen. Dann sind die Milizen auf den Pferden gekommen und haben die Häuser in Brand gesteckt." Trotzdem sei es im Sudan besser als in dem Flüchtlingscamp Djabal mit 15.000 anderen zu leben, denn in Darfur habe sie wenigstens einen Garten und Tiere gehabt. Nun ist die Mutter von drei Kindern ganz auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wenn sie Holz holen gehe, werde sie oft verbal attackiert. Und die Eufor? Die Eufor komme nicht in das Lager.

Seit die etwa 3700 europäischen Soldaten im Osten des Tschad stationiert wurden, haben die Übergriffe auf die humanitären Einrichtungen sogar zugenommen. Zuerst wurden die Fahrzeuge vermehrt angegriffen, dann die Helfer selbst bedroht und ausgeraubt, die Überfälle wurden immer brutaler. Vier NGO-Vertreter wurden heuer bereits ermordet. In der Nacht gehen sie überhaupt nicht mehr vor die Tür. Die NGO"Save the children" zieht sich zur Gänze zurück.

Die NGOs sind sich einig:Die Eufor habe abschreckende Wirkung auf die Rebellen, aber nicht auf Banditen. Auch die Patrouillen würden wenig bringen, weil die Banden wiederkämen, wenn die Eufor weg sei. "Helikopter können eben nicht vor Vergewaltigung schützen" , sagt eine tschadische Helferin. Duccio Stardini von der Generaldirektion für humanitäre Hilfe der EU versucht zu kalmieren:"Bei der Stationierung der Eufor ging es ja auch darum, eine gemeinsame Verteidigungspolitik zu formulieren."

Lang wird die Eufor aber ohnehin nicht mehr im Tschad sein, obwohl viele der Soldaten bleiben werden und nur ihre Helme wechseln. Ab März soll die UN-Mission Minurcat die Aufgaben übernehmen. (Adelheid Wölfl aus Goz Beida/DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2008)