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Benjamin Raich rauscht in Beaver Creek talwärts.

Foto: Reuters

Wien/Salzburg - Mitunter ist eine schlichte Frage gar nicht so leicht zu beantworten. Wer ist der beste Skifahrer dieser Welt?, frägt man Toni Giger, den Cheftrainer des österreichischen Herrenteams. Den Experten, auch wenn er nicht ganz unabhängig ist, bemüht man deshalb, weil sich die Kandidaten selbst ja nicht einig sind.

Hermann Maier (36), der in Amerika fette Beute machte, einen Super-G gewann und einmal Zweiter wurde, hält Aksel Lund Svindal (25) für seinen Nachfolger und also den Allerbesten. Der Norweger, der nach einem Jahr verletzungsbedingter Schaffenspause noch fettere Beute machte, eine Abfahrt und einen Super-G gewann und das rote Trikot des Weltcupführenden trägt, sagt erstens, dass er noch lange nicht so weit sei, einen Vergleich mit Maier in seiner Gesamtheit auszuhalten. Zweitens hält Svindal Bode Miller (31), dem der Beutezug in Amerika eher missraten ist, für den Allerbesten. Benjamin Raich, der nach rund einem Jahr wieder zurück zum Sieg fand, pflegt mit Lob sparsam umzugehen. Vor allem spart er am Lob für sich selbst.

"Es gibt eine jährliche Punktewertung, die das entscheidet" , antwortet Giger, wohlwissend, dass man genau darauf nicht gewartet hat. Also erwähnt er auch "ästhetische und kämpferische Elemente" als Entscheidungsgrundlage und Svindal, Maier, Raich sowie Didier Cuche (34) als seriöse Kandidaten. Schließlich sei die Beantwortung ja auch eine Frage des Geschmacks. Gigers Geschmack? "So wie der Benni jetzt fährt" , sagt er, seine Befangenheit nicht unerwähnt lassend, "ist er der Beste. Die Kombi aus Eleganz und Kampf ist einmalig."
Hermann Maier (36), quasi der Methusalem unter den Kandidaten, ist angesichts seiner Sammlung an Weltcupsiegen, Kristallkugeln, Olympia- und WM-Medaillen über den Vergleich erhaben. Für den Sieg im Gesamtweltcup, also für den mathematisch ermittelten Besten, hat ihn heuer keiner der Kundigen auf der Rechnung, auch er selbst nicht.
Was Giger an Svindal gefällt: "Es schaut so elegant aus, wenn er den Schwung ansetzt. Er hat ein fantastisches Gefühl. Erst im Video, wenn man ganz genau hinschaut, sieht man, wo er den Druck gibt und wie er ausholt."

Was Giger zu Miller einfällt: "Er ist ein Vollblutkämpfer und besitzt ein unvergleichliches Bewegungstalent. Er sucht immer die direkte Linie, und das ist nicht nach meinem Geschmack. Denn ich sehe nicht gerne, wenn einer stürzt." Und Millers Ausfall beim Super-G von Lake Louise, als er eines Skis verlustig ging, sei keinesfalls Pech gewesen. "Er hat die Ski so brutal hineingestellt, dass einfach irgendetwas aufgehen musste. Gut, dass es die Sicherheitsbindung war und nicht etwas anderes gebrochen ist."
Absehen davon sei Miller aber jederzeit alles zuzutrauen, es könne ihm eine Siegesserie gelingen und natürlich wieder der Gesamtweltcupsieg. Sein, Gigers, Favorit? "Momentan schaut's nach Svindal aus. Aber die Saison ist noch lang."

In dieser traut er auch Raich noch einiges zu. "Derzeit legen wir bei ihm den Schwerpunkt auf Riesenslalom und Slalom. Auch wenn es schon lang dauert, bin ich überzeugt, dass er auch in der Abfahrt noch kommen wird. Auch Stephan Eberharter hat lange gebraucht, bis er zum Speed gefunden hat." Von Freitag bis Sonntag in dieser Reihenfolge in Val d'Isère: Superkombi, Riesenslalom, Slalom. (Benno Zelsacher - DER STANDARD PRINTAUSGABE 10.12. 2008)