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Die Nobel-Medaille macht ein gutes Bild, die Berichte über ihre Vergabe, die die Unabhängigkeit des Komitees anzweifeln, machen es nicht.

Foto: REUTERS/The Press

In Stockholm werden am Mittwoch die Nobelpreise in fünf Kategorien feierlich übergeben. Die diesjährige Zeremonie wird allerdings von Enthüllungen überschattet, die dem Ruf der Nobel-Institutionen als unanfechtbare Hüter des Erbes von Preisstifter Alfred Nobel Kratzer zufügen. Dass sich der Nobelstiftung nahestehende Unternehmen von einem der weltweit größten Waffenhersteller sponsern lassen, war nur eines der pikanten Details, die Untersuchungen des Schwedischen Rundfunks jetzt zutage beförderten. Infrage gestellt werden unter anderem auch die Mechanismen hinter der Vergabe des diesjährigen Medizin-Preises.

Die 1900 gegründete Nobelstiftung, die seit 1901 die Preisgelder auszahlt, ist in den vergangenen Jahren zu einer Unternehmensgruppe angewachsen. Zu den alliierten Unternehmen gehören die Nobel Media AB und die Nobel Web AB. Laut einer Meldung des Schwedischen Rundfunks werden beide Firmen von dem US-amerikanischen Waffenhersteller Honeywell gesponsert. Das Unternehmen rangiert auf einer Liste des internationalen Friedensforschungsinstituts Sipri auf Rang 15 der weltweit größten Hersteller von Kriegsausrüstung.

Kaum hatte Gunnar Öqvist, Ständiger Sekretär der Königlichen Akademie der Wissenschaften und Vorstandsmitglied der Nobelstiftung, eine kritische Untersuchung der Zusammenarbeit mit Honeywell angekündigt, legte der Rundfunk nach: Demnach gehört zu den Hauptsponsoren der Nobel-Unternehmensgruppe der Arzneimittelhersteller AstraZeneca. Das Unternehmen profitiert maßgeblich von der diesjährigen Vergabe des Medizin-Nobelpreises: Astra Zeneca hat die Patente für Impfstoffe gegen den humanen Papillomvirus (HPV) inne, der Gebärmutterhalskrebs verursachen kann und dessen Entdeckung in diesem Jahr mit der bedeutendsten Wissenschaftsauszeichnung geehrt wird.

Pikantes Detail

Weiteres pikantes Detail: Bo Angelin, der als Mitglied der Nobelversammlung des Karolinska Instituts dem diesjährigen Preiskomitee angehörte, sitzt gleichzeitig im Vorstand des Pharmaunternehmens. Auf Anfrage des Schwedischen Rundfunks gab Angelin an, über seine doppelte Rolle bislang nicht reflektiert zu haben: "Wenn ich die Sache genauer bedenke, kann ich aber verstehen, dass ein Unternehmen, das den Impfstoff verkauft, da bestimmte Interessen hat." Der Sekretär des Preiskomitees am Karolinska Institut, Hans Jörnvall, räumte ein, dass die Frage "problematisch" sei; Man müsse dazu Stellung nehmen.

Die Nachricht, dass Mitglieder der Preiskomitees für Chemie und Physik im Jänner auf Einladung des chinesischen Bildungsministeriums eine kostenlose Werbe-Rundreise in das nach einem Nobelpreis dürstende China gemacht haben, rundete die Berichterstattung in Sachen Nobel vorerst ab. "Sicher glauben die meisten, dass es sich bei dem Nobelpreis um eine selbstständige Sache handelt, die keinem Druck von außen unterliegt. Doch wer das glaubt, der lebt in einer Welt, wie sie vor zehn Jahren aussah, ehe die Entwicklung mit neuen Sponsoren, neuen Firmen begann", meinte Anders Barany von der Königlichen Akademie der Wissenschaften. (Anne Rentzsch/DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2008)