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Spieluhren bringen bei Auktionen viel Geld. Diese Uhr aus dem 18. Jahrhundert wurde 2001 bei Christie's in Hongkong auf 180.000 bis 221.000 Euro geschätzt.

Foto: Reuters

"Dieses Feine, dieses Zarte - sofort hatte mich die Spieldose in ihren Bann gezogen", beschreibt Werner Baus jenen Moment, in dem er beim Spielen auf dem elterlichen Dachboden vor mehr als 50 Jahren seine erste Spieldose fand. Über 1500 dieser kostbaren Klangapparate hat der Sammler aus Helsa bei Kassel aus aller Welt zusammengetragen, wieder zum Klingen gebracht und die meisten davon rund um den Globus verkauft, um sich "Pianolas", Klavierautomaten, zu widmen.

Durch den kleinen Schatz am Dachboden habe er sich mit dem Virus der mechanischen Musikinstrumente infiziert: "Einfach unglaublich, wenn sie 200 Jahre alt sind und immer noch spielen."

Opern und Volkslieder

Die Spieldose als eines der liebsten Weihnachtsaccessoires ist dem Genfer Uhrmacher Antoine Favre-Salomon zu verdanken. Um eine Taschenuhr mit einer Melodie (daher fälschlicherweise die Bezeichnung "Spieluhr") auszustatten, baute er ihr 1796 feine Stahllamellen ein. Diese wurden der Melodie entsprechend so angeordnet, dass sie bestimmte Stahllamellen anrissen und zum Schwingen brachten, wenn sich der Zylinder unter dem Zahnkamm drehte.

Dem kleinen Walzwerk wurden zunächst einfach gehaltene Holzschatullen als Resonanzkörper verpasst. Mit einer Kurbel zog man es wie eine Uhr auf, lehnte sich zurück und lauschte - vor allem Opern-Ouvertüren, aber auch Volksliedern.

"Für Sammler sind vor allem die frühen, händisch gefertigten Spieldosen interessant", sagt Peter Domhauser, unter anderem Sammlungsleiter für Musiktechnik im Technischen Museum Wien.
Von Genf und dem kleinen Uhrmacher-Örtchen Sainte-Croix aus begann der Siegeszug des wichtigsten Musikmöbels des 19. Jahrhunderts, das sich zum Luxus höfischer oder wohlhabender bürgerlicher Salons von Europa bis nach China gesellte.

Die Technik wurde ausgefeilter, die Dekoration fantasievoller. Die Stahlzähne wurden gedämpft und um Glöckchen ergänzt, die Walzen größer und austauschbar; durch unterschiedlich lange Stifte ließ sich sogar die Lautstärke variieren. Auf den Dosen erweckte das mechanische Können der Hersteller allerlei Figuren zu tänzerischem Leben.

Nach wie vor erzielen bei internationalen Auktionen jedoch die schlichten Spieldosen der ersten Schweizer Produzenten wie Nicol Frères oder Mermond Frères Höchstpreise bis zu 80.000 Euro - in Einzelfällen sogar auch mehr. Aber auch Lochplattenspieldosen, wie sie ab 1850 in Leipzig unter den Namen Symphonion, Polyphon oder Kalliope hergestellt wurden, wechseln immer wieder um fünfstellige Beträge den Besitzer.

Anzahl und Auswahl

Staunte die bessere Gesellschaft des 19. Jahrhunderts vor allem über die immer abrufbare Musik, interessiert den Spieldosensammler heute weit mehr als nur der schöne Klang, nämlich "die Anzahl und Auswahl der gespielten Stücke, die äußerliche Erscheinung der Dose und ihr Zustand, die Qualität der Dämpfung und Zähne; Alter, Hersteller, Seriennummern und manchmal auch, wer der Vorbesitzer war", erklärt Donhauser.

Neben alldem können die möglichst aufwändige und hochkarätige Verzierung mit Edelmetallen und nicht zuletzt der Restaurationszustand eine gewichtige Rolle für den Preis spielen.
Die Restaurierungsspezialisten finden sich heute in England, wo man eine lange Tradition der "industrial heritage" , der Erhaltung alter Technik, pflegt. Spieldosen und andere mechanische Musikinstrumente sind längst nicht nur in Museen, sondern zunehmend außerhalb Europas bei großen Sammlern in den USA oder in Japan zu bestaunen und - selten, aber doch - zu hören.

"In den letzten Jahren wurde der Markt fast leergekauft, die Preise sind ständig gestiegen", sagt Donhauser. Mittlerweile scheinen sie aber für jene alten Spieldosen, deren Herstellung mit dem Aufkommen des Grammophons Anfang des 20. Jahrhunderts aufgegeben wurde, zu stagnieren.

Neue, auf alt gemachte Spieldosen des Schweizer Unternehmens Reuge sind in allen Ausführungen und Preisklassen zwischen einem und 2000 Euro zu haben. Auch der Plastikspielzeughersteller Fisher Price erzeugt Spieldosen - für rund 120 Euro. Deren weitere Wertentwicklung bleibt aber abzuwarten. (Martina Bachler, DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2008)