Es gärt auch an Frankreichs Schulen. Zu Wochenbeginn demonstrierten in Frankreich Tausende von Schülern, Lehrern und Eltern gegen die Sparpläne der Regierung. Ortsweise kam es auch zu Ausschreitungen. In Brest in der Bretagne zertrümmerten Randalierer am Rande einer kleineren Demonstration Schaufensterscheiben und Bushaltestellen. Einige Schüler warfen Steine auf die Polizei. Vier Demonstranten wurden festgenommen. Auch in Nantes an der Atlantikküste kam es kurz zu Krawallen. Mehrere hundert Jugendliche drangen in eine Schule ein und verwüsteten ein Dutzend Klassenzimmer.
In mehreren Provinzstädten Frankreichs halten Schüler ihre Lycées seit Tagen besetzt. Seit Wochen und Monaten kommt es immer wieder zu Streiks und zu Kundgebungen gegen Bildungsminister Xavier Darcos. Der hat 11.200 Lehrerstellen gestrichen und zwar mit dem Argument, dass die Zahl der Schüler pro Lehrer rückläufig sei. Die Lehrergewerkschaften entgegnen, die schulischen Aufgaben nähmen ständig zu; außerdem kämen in wenigen Jahren die Kinder des neuen französischen Babybooms ins Schulalter.

Auch aus den Banlieue-Schulen berichten Volksschullehrer über wachsende soziale Probleme - und eine entsprechende Mehrarbeit für das Bildungspersonal. Darcos baut aber auch die Zahl der Speziallehrer für schulische oder psychologische Problemfälle von 11.000 auf 8000 ab.
In den französischen Vorstädten - deren soziale Problematik an sich nichts mit den Schülerprotesten zu tun hat - bleibt die Lage auch drei Jahre nach den bisher schlimmsten Banlieue-Krawallen gespannt. 2005 hatte der Tod zweier Teenager in dem Pariser Vorort Clichy-sous-Bois wochenlange Unruhen in ganz Frankreich mit 10.000 ausgebrannten Autos ausgelöst. Im Departement Seine-Saint-Denis nordöstlich von Paris brennen an jedem Wochenende noch Dutzende von Autos.
Die Regierung hatte im Jänner einen „plan espoir" (Plan der Hoffnung) für eine Milliarde Euro lanciert. Die Vorstadt-Ghettos sollen Verkehrsverbindungen zur Außenwelt erhalten. Um die grassierende Arbeitslosigkeit von bis zu 40 Prozent pro Quartier zu bekämpfen, sollen zudem 45.000 Jugendliche eine Langzeit-Ausbildung erhalten. Bis heute sind aber nur ein paar hundert dieser Jugendjobs geschaffen worden; von den Verkehrsprojekten ist noch kein einziges verwirklicht. Auch Antidiskriminierungs-maßnahmen wurden ergriffen; im Alltag stellen die Einwandererjugendlichen aber kaum eine Verbesserung fest. Bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche stoßen sie nach wie vor auf verschlossene Türen. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2008)