"Mir fehlen die Worte für eine Antwort." Nicht nur dem französischen Außenminister Bernard Kouchner ergeht es so, wenn er den Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien verstehen will.
Es geht um die Seegrenze in der Bucht von Piran und einen umstrittenen Streifen entlang des Flusses Dragonja, der in die Bucht mündet. Lächerlich, sollte man meinen, wo es doch in wenigen Jahren nur noch eine virtuelle Grenze zwischen den beiden Ländern geben wird. Slowenien ist seit 2004 EU-Mitglied, Kroatien will es ab 2010 sein.

Aber so einfach ist es nicht - sonst würde Ljubljana nicht die Beitrittsverhandlungen mit Zagreb blockieren. Der Adria-Zugang ist für die Slowenen eine Frage nationalen Prestiges. Wenn sie diesen Zugang infrage gestellt wähnen, ob nun eingebildet oder tatsächlich, reagieren sie gereizt. Vor dem EU-Beitritt wurde beispielsweise in einem slowenischen Zeitungskommentar allen Ernstes behauptet, Österreich betrachte Slowenien als sein zehntes Bundesland, weil es den Verlust des Adria-Zugangs nach dem Ende der Monarchie noch immer nicht verschmerzt habe.

In Kroatien ist die Adriaküste - mit 5800 Kilometern immerhin mehr als hundertmal so lang wie die slowenische (47 km) - ebenfalls mit patriotischen Gefühlen überfrachtet. Dazu kommen beiderseitige Ressentiments aus jugoslawischer Zeit. Sie wirken unabhängig von der Farbe der Regierungen in Ljubljana und Zagreb und werden innenpolitisch instrumentalisiert, wenn es gerade nützlich erscheint. Von europäischem Geist ist das alles nicht getragen. Aber wo sind heute die glaubwürdigen Europäer, die den Streithähnen an der Adria Lehren erteilen dürften? (DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2008)