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Herbert Bammer und Mario Rehulka: Mit ihrem Abschied von der AUA-Spitze 2001 begann der Niedergang der Airline.

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Als bereits Feuer am Dach der AUA war, hat die Politik endlich die Feuerwehr alarmiert - und ein blau-gelber Löschzug ist tatsächlich erschienen.

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Ein Streifzug durch die 50-jährige Geschichte der Austrian Airlines von einem erfahrenen Insider zeigt, wie sehr die Politik stets für die Erfolge der Fluglinie verantwortlich war - und auch für ihr Scheitern.

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Brandmeister Mayrhuber gibt "Brand aus!" Hausverwalter Michaelis steht vor den halb verkohlten Resten des Hauses Austrian Airlines und spricht ergriffen: "Dies ist vielleicht das wichtigste Ereignis in der Geschichte des Hauses seit seiner Erbauung!" Die Steuerzahler und Aktionäre, als Eigentümer des Hauses, und seine Bewohner - die Mitarbeiter - kratzen sich verdutzt am Kopf und fragen sich: So sehen Sternstunden aus?

Wie haben die Sternstunden der AUA wirklich ausgesehen? 1957 gegründet, als Fusion eines schwarzen und eines roten Airlineprojekts. Dann zehn Jahre lang Spielball des großkoalitionären Proporzes, unterkapitalisiert, unwirtschaftlich, ein Gespött: Sprüche wie "Aua!" oder "Another Useless Airline" und schwere Verluste begleiteten die Gesellschaft, bis sie 1968/69 beinahe zusammenbricht.

Dann eine wirkliche Sternstunde: Mit Heschgl und Papousek wird 1969 ein neuer großkoalitionärer Vorstand bestellt. Die Herren überraschen Freund und Feind: Sie blocken alle politischen Einflüsse ab, reduzieren das Personal um 20 Prozent, vereinheitlichen die Flotte radikal auf nur einen Typ. Eine knapp bevorstehende Fusion mit der Swissair wird abgebrochen. Die Finanzminister Koren und Androsch vertrauen dem Team, rekapitalisieren die AUA und geben damit grünes Licht für den Alleingang.

Über zwanzig Jahre lang schreibt die AUA Gewinne, finanziert die Kapitalerhöhungen selbst aus den ausgeschütteten Dividenden. Sie meistert mehrere Öl-, Wirtschafts- und Finanzkrisen aus eigener Kraft. Wer weiß heute noch, dass die kurzfristigen US-Dollar-Zinsen 1980 bei 18 Prozent lagen, dass sich der Ölpreis 1973 und dann wieder 1979 fast verdreifachte? Der staatliche Eigentümer genießt und mischt sich nicht ein. Die AUA wird zum "Paradeunternehmen".

1988 dann der erste Börsegang. Im Sommer 1990 ist die Aktie fast 40 Euro wert, die Marktkapitalisierung erreicht eine Milliarde Euro - bei rund einem Viertel der heutigen Unternehmensgröße. Doch 1990 geht Papousek in Pension. Die ÖVP besteht auf einem schwarzen Piloten-Gewerkschafter als Nachfolger, der Vorstand wird auf vier Mitglieder aufgestockt. Ehrenwerte Herren, aber die Chemie stimmt nicht. Es gelingt nicht mehr, die Golfkrise und die nachfolgende Wirtschaftsflaute 1990-92 zu meistern; 1993 verliert die AUA rund 54 Mio. Euro.

Im Sommer 1993 übernehmen Bammer und Rehulka das Ruder als Vorstand, mit Streicher als Präsident des Aufsichtsrats. Das Unternehmen expandiert - binnen weniger Jahre wird das Osteuropa-Netz von acht auf 32 Destinationen erweitert - und wird gleichzeitig schlanker. Die Kosten werden radikal gesenkt, um im nunmehr liberalisierten Umfeld bestehen zu können. Wieder - 1993 - steht die AUA knapp vor einer Fusion, diesmal mit KLM, SAS und Swissair. Das Projekt Alcazar wird abgeblasen, die AUA entscheidet sich wieder für den Alleingang. 1995 wird wieder die Gewinnzone erreicht. Die österreichische Luftfahrtindustrie wird mit dem Kauf von Tyrolean und Lauda Air konsolidiert. 1998 beträgt der Gewinn 93 Mio Euro, 1999 und 2000 immer noch 43 und 53 Mio. Euro.

Und 1999 gelingt der Allianzwechsel: Das Unternehmen erkennt, dass die enge Partnerschaft mit Swissair und der Qualiflier-Allianz in eine strategische Sackgasse führt. Alle Allianzoptionen werden sorgfältig, intern und ohne Berater, evaluiert. Die Entscheidung fällt für die Star Alliance der Lufthansa, und der Wechsel, mit allen hochkomplexen Konsequenzen für die Kunden- und IT-Systeme, wird in sechs Monaten bewältigt.

2000/2001 dann die Negativ-Sternstunden: In der neuen, schwarz-blauen Koalition gibt es Spieler wie Prinzhorn oder Grasser, die es sich in den Kopf setzen, eine Reihe "großkoalitionärer" Vorstände einfach so abzulösen. Bammer und Rehulka geraten in die Schusslinie, sie sind Parteien zuordenbar, wenn auch Fachleute und keine Parteisoldaten.

Leicht schräg und willfährig

Ein mediales Kesseltreiben beginnt, die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften Lauda Air und Tyrolean werfen sich in die Schlacht, Austrian Airlines setzen sich zur Wehr, und das Ende ist schrecklich: Alle Vorstände - AUA, Tyrolean und Lauda Air - sind abgelöst, der nicht willfährige AUA-Aufsichtsrat wird zurückgetreten (nur Mauhart weigert sich, klein beizugeben und wird abgewählt). Neue, teilweise leicht schräge, aber willfährige Aufsichtsräte werden bestellt und setzen auf das schon einmal nicht bewährte Modell eines Vierervorstands. Und die intellektuellen wie politischen Schwergewichte Streicher und Ditz werden von der ÖIAG-Spitze entfernt.

Der Rest ist Geschichte: Mit einer Mischung aus Phlegma und Querelen an der Spitze (in sieben Jahren gibt es fünf verschiedene personelle Konstellationen im Vorstand!), Beraterunwesen, Kunstfehlern und Verschwendung stolpert das Unternehmen 2001 bis 2008 ins Desaster. Von den Eigenmitteln von rund 700 Mio. Euro im Jahr 2000 und dem Erlös der Kapitalerhöhung 2006 von rd. 350 Mio. Euro, also von über einer Milliarde Euro, verbleibt heute ein verschwindender Rest.

Der 11. September 2001 hat gekostet, aber diese Krise hatten auch andere Airlines zu meistern. Schulden wurden abgebaut, indem Vermögen veräußert und die Liquidität vermindert wurde: Der Hausbesitzer hat seinen Bausparkredit schnell zurückgezahlt, aber nun fehlt ihm das Geld für Strom, Gas, Telefon und die Versicherung.

Und jetzt hat es gebrannt. Der Hausverwalter hat sich immerhin bemüht, Löschzüge zu alarmieren, und einer, der blau-gelbe Löschzug, ist auch erschienen. Das virtuelle Chaos, das die Lobbyisten der übrigen, nicht hilfswilligen oder -fähigen Feuerwehren, wunderliche Gewerkschafter und der eine oder andere Politiker ausgerufen haben, kann fairerweise nicht Michaelis angelastet werden.

Wenn man die Österreicher fragt, welchen Berufsgruppen sie vertrauen, so stehen Feuerwehrleute an der Spitze, Politiker aber ganz unten in der Rangordnung. Das ist ungerecht. Die Politik hat diesmal die Löscharbeiten nicht behindert. Niemand ist auf dem Schlauch gestanden. Und sie stellt sich sogar selbst an die Pumpen und 500 Mio. Euro als Löschwasser zur Verfügung.

Jetzt ist der Brand gelöscht. Ein paar Glutnester sind noch zu bewältigen, dann können die Bewohner an den Wiederaufbau gehen. Ein Unternehmen hält viel aus. Die AUA hat hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und immer noch ein kompetentes Mittel-Management. Sie haben sich einen Eigentümer und eine Führung verdient, die wissen, wie's geht. Optimismus ist angebracht. (Fritz Otti, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.12.2008)