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Rauchfreiheit oder Nichtraucherzone: Betriebe unter 50m2 müssen sich ab 1.Jänner entscheiden

Foto: APA/Oliver Berg

Nichtraucher wünschen sich einen klaren Schutzrahmen. Dennoch ist für die meisten die Geselligkeit wichtiger als ein totales Rauchverbot in Lokalen, sagt der Soziologe Ingo Mörth im Gespräch mit Bettina Fernsebner

 

STANDARD: Die Raucherdebatte wird mit nahezu religiösem Eifer geführt. Warum emotionalisiert dieses Thema derart?
Mörth: Weil es sich um das klassische Moralproblem handelt: Wo hört die Freiheit des Einzelnen auf, wo beginnt die des jeweils anderen? Im öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz hat man das Recht, geschützt zu werden. Doch Lokale und Gasthäuser sind nicht wirklich öffentlicher Raum, die Wirte entscheiden bei der Gestaltung.

STANDARD: Warum geht es dann in der Debatte eigentlich in erster Linie: um die Gäste und weniger um Menschen, die in den Lokalen arbeiten?
Mörth: Die Frage des Arbeitnehmerschutzes wird völlig ausgenommen. Man greift dann oft auf ein Hilfskonstrukt zurück und sagt, dass ja niemand dazu gezwungen werde, in der Gastronomie zu arbeiten. Wenn man sich allerdings manche Tourismuszentren anschaut, dann sind dort die Job-Alternativen nicht breitgestreut.

STANDARD: Warum sind manche Raucher völlig uneinsichtig?
Mörth: Rauchen ist eine starke Sucht. Und wie bei vielen Süchtigen greift eine gewisse Irrationalität Platz. Da kommen Argumente wie „Mein Großvater war auch Kettenraucher und ist 100 geworden". Deshalb zeigen auch die Warn_hinweise auf Zigarettenpackungen keine Wirkung. Außerdem wird Rauchen in der gegenwärtigen Debatte zum Freiheitssymbol.

STANDARD: Wie erklärt sich die Militanz vieler Nichtraucher?
Mörth: Nichtraucher wünschen sich einen genau definierten Schutzrahmen. Und viele Nichtraucher wollen dadurch auch ein Stück der sozialen Belastung abgeben. Es ist schwer, einem Freund oder Familienmitglied zu sagen, dass der Qualm stört, wenn man gemeinsam in einem Lokal sitzt - viel schwieriger als sich auf gesetzliche Verbote berufen zu können.

STANDARD: In einer Studie, die Sie gemeinsam mit Doris Baum zum Thema Rauchverbot in der Gastronomie gemacht haben, haben 67 Prozent der Nichtraucher gesagt, dass sie für die Geselligkeit den Rauch in Kauf nehmen.
Mörth: Geselligkeit ist ein zentrales Motiv für den Besuch von Gastronomiebetrieben. Ein totales Rauchverbot hingegen nimmt Rauchern wesentliche Motive, überhaupt Lokale aufzusuchen.

STANDARD: Es geht also nicht ohne Kompromiss?
Mörth: So schlecht ist der österreichische Kompromiss nicht. Betreiber von Lokalen, in denen eine räumliche Trennung nicht möglich ist, müssen sich entscheiden, ob sie ihren Betrieb als Raucher- oder Nichtraucherlokal führen wollen. Damit nicht prinzipiell die Variante „Raucher" gewählt wird, könnte man für diese Lokale einen Aufschlag auf die öffentlichen Abgaben einführen.

STANDARD: Sind Sie Raucher oder Nichtraucher?
Mörth: Seit ein, zwei Versuchen in meiner Jugend Nichtraucher. Aber auch mir ist die Geselligkeit wichtiger und ich nehme in Kauf, dass neben mir geraucht wird. (DER STANDARD Printausgabe 11.12.2008)