Wien - Von der SPÖ ist Alev Korun schwer enttäuscht: "Die ganze letzte Legislaturperiode über hat die SPÖ gesagt, dass die Verschärfung des Staatsbürgerschaftsrechts unter Schwarz-Blau/Orange nicht in Ordnung war. Und dann schließt sie ein neues Koalitionsabkommen, dessen Asyl- und Migrationskapitel offensichtlich von der ÖVP diktiert wurde - mit heftiger Einflüsterung von der FPÖ. Jetzt drohen sogar Verschärfungen. Asyl wird überhaupt nur noch mit Kriminalität gleichgesetzt und es wird weiter munter am Qualitätsabbau im Asylverfahren gearbeitet."

Die neue Grünen-Menschenrechtssprecherin sucht dennoch Mehrheiten für die Anliegen der Minderheit: Ihre ersten parlamentarischen Anträge widmen sich den Kindern von Migranten-Familien. "Wenn mindestens ein Elternteil regulär in Österreich bleiben darf, soll das Kind von Geburt an die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. Man weiß ja ohnehin: Diese Kinder können nicht in das Land ihrer Eltern ‚zurück‘-gehen, denn die waren ja nie dort."

Österreich müsse überhaupt "ein Signal an die Jugend mit Migrationshintergrund senden: Ja, ihr seid erwünscht. Ja, eure Mitsprache ist erwünscht." Sonst würden die Probleme der nächsten Jahre quasi automatisch gezüchtet. "Das ist doch absurd: Jenen, die hier eine Heimat gefunden haben, wird die Tür buchstäblich vor der Nase zugeschlagen."

Als Beraterin für Migrantinnen und Migranten hat die in Ankara geborene Nationalratsabgeordnete sechs Jahre lang Erfahrungen gesammelt, was falsch läuft im Umgang mit den Menschen, die neu nach Österreich kommen: "In den 90er-Jahren hatte ich hunderte Beschwerden von Migrantinnen, deren Kinder keinen Kindergartenplatz bekommen haben. Da hat man gesagt: Die Frau darf ohnehin keine Beschäftigung annehmen, die soll sich um die Kinder kümmern." Mit der Folge, dass die Kinder in Migrantenzirkeln aufgewachsen sind und mit kleinen Österreichern nicht in Kontakt gekommen sind. Und schon gar nicht deutsch gelernt haben.
"Da sind auch viele Fehler in bester Absicht gemacht worden. Man hat etwa den Eltern gesagt, die sollten deutsch mit ihren Kindern reden - aber wenn die selber nicht gut deutsch gekonnt haben, dann haben sie dieses gebrochene Deutsch weitervermittelt" , berichtet Korun. Und nun plant die Regierung, jedem Kind einen kostenfreien Kindergartenbesuch zu ermöglichen - ein Fortschritt? Korun: "Das mit den Kindergärten glauben wir erst, wenn es auch die entsprechenden Plätze gibt."

Was für Kinder und Jugendliche besonders wichtig wäre, wäre die Präsentation von positiv besetzten Role-Models erfolgreicher Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn etwa viele Kinder ihr Welt- und Österreich-Bild über den ORF vermittelt bekommen, sollten dort auch Moderatoren, die nicht aus Österreich kommen, Bildschirmpräsenz haben. Dasselbe gelte in der Richterschaft und an anderen Schlüsselstellen, sagt Korun. (Conrad Seidl/DER STANDARD-Printausgabe, 11. Dezember 2008)