Der Gründer und Chef von HILL International, Othmar Hill, steht der Finanzkrise eher positiv gegenüber. Immerhin werden die Karten jetzt neu gemischt: Unternehmen müssten nach neuen Strategien suchen, statt Arbeitsplätze zu streichen, die Wirtschaft und die Politik stehen seiner Einschätzung nach vor einem Paradigmenwechsel.
derStandard.at: Wie schätzen Sie die aktuelle Wirtschaftskrise für Unternehmen ein?
Othmar Hill: Ich sehe die Krise wertneutral. Was soll's – muss man denn immer nur wachsen? Wir sind es nur nicht gewohnt, mit Schrumpfungsprozessen in der materialistischen Grundkonzeption umzugehen. Allerdings werden wir uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf Umverteilungs-Problematiken einstellen müssen: Nord – Süd, Ost – West, arm – reich.
derStandard.at: Apropos reich: Mit welchen Methoden skrupellose Manager in der Vergangenheit ihre Unternehmen in den Ruin getrieben haben, könnte mitunter aus einem Hollywood-Drehbuch stammen.
Hill: Es kann nicht so weitergehen, dass als Generaldirektoren getarnte Bankräuber in den amerikanischen und deutschen Banken sitzen, die Bude ausnehmen, während die Mitarbeiter ein Dreihunderstel davon verdienen. Das ist völlig absurd und entbehrt jeder sinnvollen Argumentation.
derStandard.at: Sind die abzockenden Führungskräfte also die Krisengewinner?
Hill: Bald nicht mehr, weil nun alle Augen auf sie gerichtet sind. Ich möchte aber unterstreichen, dass die österreichischen Finanzleute mit Augenmaß und einer gewissen Seriosität handeln, während die schon erwähnten Spitzenkräfte aus den USA und Deutschland jeglichen Realitätsbezug verloren haben. Eine derartige Form von Geldgier sehe ich als schwere Form von Krankheit, die sich in Kriminalität zeigt. Wer so gierig ist, muss jede Menge Verzweiflung am Buckel haben. Ergo: Geld zurück und dann ab in die Therapie.
Im übrigen handelt es sich eindeutig um eine Männerkrise. Die Frauenquote bei den Fehlleistungen in Führungsetagen liegt bei fünf Prozent.
derStandard.at: Unternehmen tendieren dazu, sich mit scheinbar unlösbaren Problemen zu strangulieren. Was wäre die Alternative?
Hill: Unternehmen müssen reagieren und tun das auch sehr schnell. Verblüffend rasch sogar. Panik-Reaktionen bei den Unternehmen sehe ich erfreulicherweise nicht – zumindest für den Moment. Im Jänner, wenn die Bilanzen fällig werden, wird das möglicherweise anders aussehen.
derStandard.at: Ist Personalabbau immer das richtige Konzept?
Hill: Stellenkürzungen sind eine gefährliche Sache. Das informelle Wissen, das dabei abfließt, bekommt ein Unternehmen nie mehr zurück. Zudem besteht die Gefahr, diejenigen zu kündigen, die der Führungsschicht unsympathisch sind, was natürlich der falscheste Zugang ist. Man muss emotionslos Leistungs- und Kompetenzträger behalten.
Vergessen darf man auch nicht auf die informellen FührerInnen, also diejenigen, welche die Organisationsstruktur stützen. Wenn eine dieser drei Gruppen nicht geschützt ist, gibt es ein Problem.
Darüberhinaus braucht es verstärkte Strategiearbeit, das heißt, es gilt, sehr stark in die Zukunft zu projizieren. In Frage kommen dabei Visionsspiele und Szenariotechniken ohne die klassischen rationalen, dafür aber innovativ kreativen Methoden. Konkrete Aktionspläne müssen her.
derStandard.at: Erstaunt Sie die Krise in ihrem jetzigen Ausmaß?
Hill: Ja, sie hat einen Stärkegrad erreicht, der völlig verblüffend ist und nach Zeitenwende riecht. Offenbar steht ein Paradigmenwechsel bevor, der ganz schnell einen wirtschaftlichen und politischen Gegenentwurf braucht.
derStandard.at: Der da wäre?
Hill: In Europa bildet sich bereits ein Gegenentwurf zur Demokratie. Eingefordert wird mehr Konsensuales und weniger Demokratisches. Das Fatale an der Demokratie ist, dass die Mehrheit die Minderheit unterdrückt. Das ist zwar ein bisschen besser als der Feudalismus – wo es genau umgekehrt ist -, viel besser aber auch nicht. Ich bin kein Demokrat und war auch nie einer.
derStandard.at: Das würde heißen, auch der Unternehmergeist wäre gefordert...
Hill: Genau. Es ist schon interessant, dass Aktiengesellschaften sofort auf die Bremse steigen, weil sie einen Imageverlust an der Börse fürchten. Während eigentümergetriebene Unternehmen eher expandieren und viel mehr Mut zeigen, Unkonventionelles auszuprobieren.
derStandard.at: Wie kann man in der Zwischenzeit Mitarbeiter motivieren?
Hill: Klarheit, Offenheit, keinesfalls Durchhalteparolen und Panikmache. Die Führungsriege muss genau wissen, welche Pläne sie verfolgt – Plan A, Plan B, Plan C für alle Eventualitäten. Die Mitarbeiter müssen eingeschworen werden auf die Änderungen im Service-Portfolio sowie Änderung der Kundensegmente in Richtung sicherer Branchen. Und: kleine Erfolge feiern. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 11.12.2008)