Langsam, aber sicher wird die Stimmung hier in den langen Gängen des Konferenzgebäudes von Poznan hektisch. Es geht zu wie in den Fußgängerzonen Österreichs zu Heiligabend kurz vor Geschäftsschluss. Während manche bereits alle Einkäufe seit Wochen erledigt haben und nun gelassen bei einem Glas Punsch dem Treiben zusehen, hetzen tausende andere von Shop zu Shop, um irgendwo noch ein halbwegs passendes Geschenk zu finden.
Leicht haben es da die reichen Verwandten aus der Schweiz und aus Norwegen, die wissen, dass man mit einem ordentlichen Geldgeschenk an Heiligabend noch immer ein dankbares Lächeln geerntet hat. Wenig Grund zur Weihnachtshektik hat auch der reiche Onkel aus Amerika. Von ihm wissen alle, dass sein Geschenk von ganz weit her kommt und meist mit Verspätung unter dem Christbaum landet. Umso größer ist dann die Freude, wenn man ein paar Tage nach der Bescherung noch ein frisches Päckchen aufmachen darf, von dem man weiß, dass es aus einem Land stammt, aus dem die tollsten und spannendsten Spielsachen kommen.
Die EU-Familie hingegen wirkt in diesen Tagen wie im totalen Weihnachtsstress. Sie haben der Weltfamilie ein riesengroßes Geschenk versprochen, bei dem die Verpackung höchste Erwartungen geweckt hat. Leider ist es weitgehend leer. Nun stehen mehr als Hundert Enkelkinder (die Entwicklungsländer) vor dem Paket und stellen fest, dass da längst nicht genug Spielsachen für alle drin sind. Und nicht nur das: Die Spielsachen sind auch noch völlig altmodisch und un-cool!
Was bedeutet dieses Geschenk der EU für das Klima?
Beim letzten Klima-Weihnachtsfest hat Europa dem Rest der Welt 30 Prozent CO2-Reduktion bis 2020 als Ausgangsbasis für die Verhandlungen in Polen und Kopenhagen versprochen. Die Bedingung dafür war, dass auch China, die USA und andere Nationen ihren Beitrag zur Erderwärmung senken. Seit der Finanzkrise hat Europa dieses Ziel nun auf 20 Prozent reduziert. Und auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit, denn die Hälfte dieser 20-Prozent-Reduktionsverpflichtung soll durch Klimaschutzmaßnahmen außerhalb Europas erreicht werden. Das macht dann also nur noch zehn Prozent Reduktion im Euro-Raum. Die Rechnung kommt also zu einem einfachen und ernüchternden Ergebnis. Statt der ursprünglich versprochenen 30 Prozent, sind es nur noch zehn. Soviel zum großen Geschenk Europas an das Klima und die Welt. Falls Sie denken, zehn Prozent ist doch besser als nichts, dann müssen wir daran erinnern, dass Europas Treibhausgasausstoß seit 1990 bis jetzt schon um neun Prozent abgenommen hat (z. B. durch das Zusammenbrechen der Industrien in den ehemals kommunistischen Staaten). Der Rechnungszeitraum für das Reduktionsziel bezieht sich nämlich auf die Gesamtperiode von 1990 bis 2020. Damit bleibt von den ursprünglich angekündigten 30 Prozent nur noch ein mageres Prozent übrig, das die EU-Staaten innerhalb der Grenzen Europas reduzieren müssen - also fast gar nichts mehr - vom Klimavorreiter Europa kann man hier wahrlich nicht mehr sprechen.
Können die Europäer die spürbare Enttäuschung der Entwicklungsländer noch abwenden, und wenn ja, wie? Dazu gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie machen es wie die reichen Verwandten aus Amerika, Norwegen und der Schweiz und legen zum Geschenk noch ein bisschen Geld in das Weihnachtsbillet oder sie setzen ihre Klimaschutzziele wieder hoch auf 30 Prozent. Besser wäre die Erhöhung der Ziele, denn damit beweist Europa nicht nur seine Handlungsfähigkeit als Gemeinschaft sondern auch, dass unser hohes Wohlstandsniveau genauso mit viel weniger CO2 gehalten und sogar erhöht werden kann.
Nun bleiben noch zwei Türchen im Adventskalender von Poznan zu öffnen. Und es bleibt weiterhin extrem spannend, was am Freitagabend unter dem Christbaum liegen wird. Stellen sie sich schon mal darauf ein, dass die Bescherung heuer nicht sehr üppig ausfallen wird - auch aber nicht nur wegen der Finanzkrise. Aber vielleicht wird trotzdem die eine oder andere schöne Überraschung dabei sein. Lassen wir uns alle überraschen!