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Der irische Kanzler Brian Cowen und Frankreichs Staatspräsident Nicholas Sarkozy im Sommer nach dem Nein der Iren.

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Mitglieder des Think-Tanks  'Open Europe' demonstrieren vor dem Gebäude der Europäischen Kommission.

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Es ist alles sehr kompliziert in Sachen Lissabon. Das weiß auch Jose Manuel Barroso, seines Zeichens Portugiese und Präsident der EU-Kommission. Zu Beginn der Woche machte er in einem Interview keinen Hehl aus der Unsicherheit, in der Europas Zukunft nach dem Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag im Sommer schwebt. "Ich weiß nicht einmal ob es zu einer Einigung auf einen Fahrplan kommen wird."

Die Ergebnisse des EU-Gipfels gereichen Befürwortern des umstrittenen Lissabon-Vertrags zu Optimismus. Aus dem Entwurf der Schlussfolgerungen des Gipfels, der Donnerstag und Freitag in Brüssel stattfindet, geht hervor, dass Irland bis Ende 2009 ein neues Referendum plant. In dem will die bedrängte Dubliner Regierung ihr Volk noch einmal über für und wider des neuen Vertrags befinden lassen. Verfassungsrechtlich habe man, so der irische Europaminister Dick Roche, keine andere Möglichkeit, einen Ausweg aus der EU-Krise zu finden. Im Wortlaut heißt es im Gipfel-Entwurf: "Die irische Regierung verpflichtet sich, bis Ende der Amtszeit der jetzigen Kommission die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags anzustreben."

Eile

Dass sich die Iren im zweiten Anlauf für den EU-Vertrag entscheiden, ist indes mehr als fraglich. Des Dalton, Vize-Präsident der irischen Republican Sinn Fein Partei und Sprecher der Nein-Kampagne, glaubt nicht, dass sich die Wirtschafts- und Finanzkrise enscheidend auf den Ausgang eines möglichen zweiten Urnengangs auswirkt. "Bis dahin vergeht erstens noch viel Zeit und zweitens bietet der Vertrag von Lissabon keinerlei Lösung für die Probleme der Wirtschaft." Für Dalton ist es "offensichtlich, dass vor allem (der französische Staats- und EU-Ratspräsident, Anm.) Sarkozy alles tut, um noch vor Beginn der tschechischen Präsidentschaft ein zweites Referendum in Irland durchzusetzen. Am liebsten hätte er die Iren noch vor Ende des Jahres ein zweites Mal abstimmen lassen."

Quintin Oliver, Leiter des nordirischen Thinktanks Strategem und Experte für Referenden, sagt im Gespräch mit derStandard.at, dass er auch abseits externer Faktoren wie etwa Wirtschaftskrisen eine realistische Chance für das Pro-Lissabon-Lager sieht, beim zweiten Mal mit einer Mehrheit ausgestattet zu werden. "Eine stärkere Ja-Kampagne kann durchaus einen entscheidenden Unterschied ausmachen, etwa indem sie eine reifere Diskussion über die relevanten Themen initiiert." Das könne auch beinhalten, so Oliver, dass man dem irischen Volk die Option eines Totalausstieges aus der EU offen hält.

Kein Ausstieg

Laut einer gerade erst veröffentlichen Umfrage kommt diese Exit-Strategie aber nur für etwa acht Prozent der Iren in Frage. 92 Prozent lehnen einen Ausstieg ihres Landes, das sich im vergangenen Sommer in einem Referendum gegen die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon ausgesprochen hat, ab. "Alles hängt von dem Angebot ab, das dem irischen Volk gemacht wird", meint Oliver. Laut Medienberichten will die EU den Iren etwa die Beibehaltung der derzeit gültigen Besetzungspolitik der Kommission versprechen und damit ein zentrales Argument der Vertragsgegner entkräften. Lissabon-Gegner Dalton weist darauf hin, dass es sich bei den Zugeständnissen an Irland bloß um Lippenbekenntnisse handle: "Rechtlich bindende Ergänzungen oder Änderungen sind ohnehin nicht möglich, weil sonst alle 25 anderen EU-Staaten (Tschechiens Parlament hat den Vertrag ebenfalls noch nicht ratifiziert, Anm.) den Vertrag noch einmal ratifizieren müssten."

Für den deutschen Politologen und Sozialwissenschafter Eckhart Stratenschulte birgt das Jahr 2009 für die EU viel Zündstoff. "Wenn die EU das nächste halbe Jahr unbeschadet übersteht, hat sie ihre Stärke bewiesen", schreibt er in einer Kolumne für die Tageszeitung Frankfurter Rundschau. Der Union, so der Professor, stünden mit der Übernahme des Ratsvorsitzes durch die alles andere als Euro-euphorische Prager Regierung turbulente Zeiten ins Haus. Und entscheidende: "Was jetzt beginnt, ist der Härtetest für die Union. Sie legt für ein halbes Jahr die Macht der Koordination und der Inspiration in die Hände eines Landes, das mit der EU nicht viel anfangen kann."

Vertragsgegner Dalton gibt sich jedenfalls für alles gerüstet. "Wir haben längst begonnen, uns Gedanken über eine noch stärkere Kampagne zu machen, obwohl wir noch gar nicht wissen, ob wir tatsächlich ein zweites Mal gefragt werden." Christian Felber, Sprecher der EU- und globalisierungskritischen Plafform attac ist ob des künftigen tschechischen Vorsitzes vorsichtig optimistisch, was die Zukunft des Vertrags von Lissabon betrifft. "Wir hoffen, dass der Druck auf Irland, ein zweites Mal und endlich "richtig" abzustimmen abnimmt und dass stattdessen die demokratische Konsequenz aus dem Scheitern des Lissabonvertrages gezogen wird: Die demokratische Direktwahl eines Konvents, der einen neuen EU-Vertrag ausarbeiten soll."(flon/ derStandard.at, 11.12.2008)