Warschau - Das polnische Institut für das Nationale Gedächtnis (IPN) wird alle bisher geheimen Unterlagen veröffentlichen, die den legendären Solidarnosc-Priester Jerzy Popieluszko betreffen, der von der kommunistischen Geheimpolizei 1984 entführt und getötet worden ist. Die Veröffentlichung werde einen Sturm hervorrufen, erklärte der Historiker Jan Zaryn am Freitag gegenüber der Tageszeitung "Rzeczpospolita".

Der erste Teil der Dokumente soll Ende Februar oder Anfang März veröffentlicht werden. Er wird Unterlagen des Geheimdienstes SB und des Amtes für Konfessionen beinhalten. Im Herbst soll der zweite Teil herausgeben werden, in dem alle Materialien über die Entführung und den Mord an Popieluszko und den Gerichtsprozess seiner Peiniger veröffentlicht werden.

Denunzianten

Laut Zaryn scheinen in den Dokumenten Spitznamen der Geheimdienstmitarbeiter auf, die Popieluszko denunzierten. Darunter gebe es sowohl einfache Bürger als auch Geistliche. Das IPN will in Anmerkungen Namen der geheimen Mitarbeiter enthüllen.

Jerzy Popieluszko wurde 1947 in einem polnischen Dorf an der weißrussischen Grenze geboren. Von 1980 an war er Arbeiterpriester in der Warschauer Stahlhütte. Während des Ausnahmezustandes war er durch seine "Messen für das Vaterland" berühmt geworden, die er vor tausenden Gläubigen feierte. In seinen Predigten sprach der Geistliche auch die politische Situation im kommunistischen Polen an.

Nach mehreren Drohungen war der damals 37-jährige Popieluszko am 19. Oktober 1984 von Geheimpolizisten entführt und elf Tage später ermordet in der Weichsel aufgefunden worden. Zu Popieluszkos Begräbnis kamen 600.000 Menschen. Ein Jahr später verurteilte ein Gericht drei polnische Geheimpolizisten und deren direkte Vorgesetzte zu zwölf bis 25 Jahren Haft. Ihre mutmaßlichen politischen Auftraggeber wurden mangels Beweisen freigesprochen. Aufgrund einer Amnestie wurden später alle Täter bis auf einen vorzeitig freigelassen. (APA)