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"Ich sage nicht, wir sollen eine grüne FPÖ werden, aber wir müssen die Leute ernster nehmen."

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"Das ist eine zwielichtige Branche, die ahnungslose Menschen ausnützt", sagt der Grüne Nationalratsabgeordnete Peter Pilz über Finanz- und Anlageberater, vorwiegend den "Finanzoptimierer" AWD. In einem von den Grünen initiierten Entschließungsantrag beschlossen alle fünf Parlamentsparteien vergangene Woche eine Reform der Anlageberatungsberufe. Wie es nun weitergehen soll und wie die Grünen sich nach dem Rückgang der Wählerstimmen bei der vergangenen Nationalratswahl reformieren wollen, sagt Pilz im Gespräch mit derStandard.at. Die Fragen stellte Saskia Jungnikl.

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derStandard.at: Haben sich die Grünen nach dem unerfreulichen Wahlergebnis wieder erholt?

Peter Pilz: Ja, wir haben unsere Fehler genau untersucht und wollen es jetzt besser machen. Eine Ursache für unser schlechtes Abschneiden bei den Wahlen war, dass wir kein Angebot für Protestwähler hatten. Unsere Kernwähler verdienen meist gut und sind besser gebildet. Wenn es jemandem gut geht, kann er oder sie sich den "Luxus" leisten, sich Sorgen um Umweltschutz und Menschenrechte zu machen. Wir werden mit Sicherheit keine grüne FPÖ werden, aber wir werden die Menschen mit ihren Existenzsorgen ernster nehmen.

derStandard.at: Wie soll das konkret ausschauen?

Pilz: Wir wollen zeigen - gerade in Zeiten der Finanzkrise - dass wir Grüne die Interessen der Leute besser vertreten können als die FPÖ. Wir schimpfen nicht, wir handeln. Der erste Schritt war, dass ich gemeinsam mit Werner Kogler im Nationalrat einen Antrag durchgebracht habe, der mit den pyramidenspielartigen Finanzberatungen a la AWD Schluss machen soll. Das ist eine zwielichtige Branche, die ahnungslose Menschen ausnützt. Der weitere Schritt muss sein, das Geld nicht nur von AWD, sondern auch von verantwortungslosen Banken zurück zu holen.

derStandard.at: Hat sich AWD schon bei Ihnen gemeldet?

Pilz: Ja, die schicken Briefe und ersuchen darin um ein Treffen. Ich habe geantwortet: Ich treffe mich erst mit ihnen, wenn ich mit den Opfern geredet habe. Und das kann dauern. Ihre Gegenreaktion ist es, mir jetzt persönliche Rache zu unterstellen. Ich habe selbst vor etlichen Jahren in einen Technologiefonds investiert und die Betreuung durch AWD von der schlechtesten Seite kennengelernt.

derStandard.at: Wieviele Betroffene haben sich denn in den vergangenen Tagen an Sie gewandt?

Pilz: In den vergangenen zwei Wochen etwa hundert. Seit gestern (Nationalratssitzung, Anm.) gibt es nochmal einen Riesenschub. Alle Briefe, in denen es um die Immofinanz geht, leiten wir an den Verein für Konsumenteninformation (VKI) weiter, den wir bei seiner Sammelklage unterstützen. Ansonsten gehen wir alle Briefe Stück für Stück durch.

derStandard.at: Das heißt, Sie wollen in Zukunft vermehrt Politik für den "Normalbürger" machen?

Pilz: Wir wollen nicht nur Politik für soziale Eliten machen, sondern wir wollen die Mehrzahl vertreten. Den Leuten, die über unseren Kampf gegen die Spekulanten in der Früh in der U-Bahn lesen, zeigt das, dass wir für sie da sind. Es stimmt eben nicht, dass Protestwähler in Österreich nur rechts wählen können. Aber wir müssen für sie da sein. Wir müssen auch auf die Straße gehen und bei den Menschen sein.

derStandard.at: Und das kommt an?

Pilz: Ich hatte da ein Schlüsselerlebnis im Wahlkampf. Da war ich auf dem St. Veiter Wiesenfest, weil Kärntner Freunde von mir gesagt haben, ich soll dorthin gehen. Wir sind dort liebevoll empfangen worden und die Leute haben sich gefreut, dass wer von den Grünen da war. Es ist ja ein Unsinn, dass wir auf dem Viktor-Adler-Markt nichts verloren hätten. Ganz im Gegenteil: Wir werden die Straßen nicht den Rechten überlassen.

derStandard.at: Die SPÖ ist auch auf dem Viktor-Adler-Markt.

Pilz: Ja. Aber die SPÖ ist nicht mehr die Partei, die für soziale Gerechtigkeit steht. Das anzunehmen war der Fehler der deutschen Grünen. Zu glauben, die Roten würden sich um soziale Gerechtigkeit  kümmern und die Grünen um Umweltschutz, Frauen und Frieden und gemeinsam wäre man dann stark, das war eine Illusion. Die SPÖ erinnert sich an soziale Themen ausschließlich im Wahlkampf. Dann folgt sie wieder der ÖVP. Das heißt, eine solche Arbeitsteilung zwischen Roten und Grünen funktioniert nicht. Wir müssen die Auseinandersetzung um Gerechtigkeit selbst führen. Mit Eva Glawischnig geht das genau in diese Richtung. Sie ist da gut in die Rolle der Bundeschefin gewachsen.

derStandard.at: Wieviel hat Alexander van der Bellen verabsäumt zu tun?

Pilz: Van der Bellen hat selbst den großen Leitantrag für eine grüne Offensive für
Gerechtigkeit und Umverteilung geschrieben. Natürlich steht er nicht für eine Geschichte der Grünen ohne Gerechtigkeit. Im Gegenteil. Aber wir dürfen es jetzt nicht bei Anträgen belassen. Den internen Überzeugungsprozess, dass wir bürgernäher sein müssen, gibt es schon seit einem Jahr. Aber erst am Wahlabend wurde deutlich: So kann es nicht weitergehen. Wir sind die Konkurrenten von FPÖ und BZÖ. Mit ihnen müssen wir um jede einzelne Stimme kämpfen. Wir gehören auf die Straße. Das ist ja unsere Geschichte: Wir haben als politische Straßenkinder begonnen, und dort gehören wir wieder hin. (saju, derStandard.at, 14.12.2008)