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Selbst auf dem gebeutelten Küniglberg finden sich Sachen zum Lachen: ORF-Betriebsratschef Gerhard Moser (li.), ORF-Boss Wrabetz nach dem Gehaltsabschluss.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Hilfe - wieder einmal sollen wir "umgerettet" werden! Wie sonst sollte man das nennen, wenn Kannibalen eine Heilkur verschreiben? "Die Politiker wollen nur unser Bestes - und sie nehmen es sich auch", schrieb ich aus Verzweiflung vor zehn Jahren im "profil". Damals war die Schüssel-ÖVP dabei, im Namen des qualitätsvollen Bürgerfernsehens den ORF einzuschwärzen. Kurze Zeit später wurde eine Frau an die ORF-Spitze gehievt, die für Begriffe wie "Qualität" oder "öffentlich-rechtlich" nur Spott und Verachtung übrig hatte. Der Schwarzfunk unterbot den Rotfunk.

Fünf Jahre später haben sich ausgerechnet Blau und Orange als Retter des wirklich guten Fernsehens ereifert. Das Ergebnis ist bekannt. Jetzt holen offenbar wieder die Schwarzen zum Gegenschlag aus. Die SPÖ schweigt verlegen und versucht halbherzig die Demontage des ORF hinauszuschieben. Ihr bester Trumpf, Gerhard Zeiler, würde nur in den Ring steigen, wenn die Politik ihm freie Hand gäbe. Doch so viel Zurückhaltung ist von keiner Partei zu erwarten, nicht einmal von den machtkeuschen Grünen.

Bei diesen Zuständen grenzt es an ein Wunder, dass hunderte ORF-Mitarbeiter immer noch mit Begeisterung Sendungen basteln, Beiträge gestalten und um Sendeplätze und Budgets kämpfen. Das macht wohl nur deshalb Sinn, weil unsere Zuschauer bei weitem nicht so dumm sind wie ihnen unterstellt wird. Sie schalten ein und sind in großer Zahl dabei, wenn eine lebensnahe Bürgerdiskussion auf dem Programm steht oder eine Reportage, die ein akutes Problem aufzeigt.

Aber manchmal genügt es eben nicht, seine Sendungen zu produzieren und den Rest in der Zeitung zu lesen. Manchmal steht mehr auf dem Spiel. Aus diesem Grund haben sich einige ORF-Mitarbeiter vor zwei Jahren zusammengetan, um "SOS ORF" zu gründen. Es konnte nicht darum gehen, jemanden abzusetzen oder jemanden anderen einzusetzen, denn dazu fehlte uns jede Macht. Wir wollten nur ins öffentliche Bewusstsein rücken, dass der ORF alle angeht. Innerhalb von Stunden haben sich über 70.000 Menschen aus allen politischen Lagern angeschlossen.

"SOS ORF" hat einiges erreicht: Wenn die Informations-Sendungen jetzt weniger einseitig sind, wenn es wieder kritischere Magazin-Berichte und mehr kluge Diskussionsformate gibt, dann entspricht das ziemlich genau den damaligen Forderungen. Aber die Abhängigkeit des ORF von der Politik konnte um nichts verringert werden. Dazu braucht es weit mehr als eine Internet-Plattform.

Immer noch stellen sich die gleichen Fragen, die von den betroffenen Polit-Profis als naiv und unrealistisch abgetan werden:

1) Warum darf sich ein ORF-Geschäftsführer seine wichtigsten Mitarbeiter nicht aussuchen? - Weil es für die Direktoren gesonderte Mehrheiten geben muss, werden wie auf dem Basar Deals eingefädelt und Pakete geschnürt, so als würde es nur darum gehen, dass die Geschäftsführung möglichst schlecht arbeiten kann.

2) Warum darf eine Phalanx von Landeskaisern den ORF aussaugen? - Nicht nur fließt bis zu einem Drittel der ORF-Gebühren in die Kassen der Landesregierungen. Die Landeshauptleute nützen auch noch ihre geballte Stimmenstärke, um sich auf Kosten des ORF einen medialen Hofstaat zu halten. (Deshalb haben wir neun kaufmännische, neun technische Direktoren und über dem Chefredakteur auch noch einen Landesdirektor.)
Mit echtem Föderalismus hat all das wenig zu tun. Die Bürger/innen hätten mehr davon, wenn sie aus ihrem Bundesland unabhängige Informationen bekämen.

3) Wen soll die Zerschlagung des ORF glücklicher machen? - Geht es darum, dass ORF 1 (oder Ö3) seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu wenig erfüllt, wäre es ein Leichtes, diesem Sender ein paar einschlägige Auflagen zu geben. Muss man ihn deshalb gleich verkaufen? Wird ein kleiner österreichischer Privatsender bessere Nachrichten liefern als "ZiB 20" oder "ZiB 24"?

4) Wo bleibt die Qualitätskontrolle? - Fernsehen ohne Rücksicht auf das Zuschauerinteresse wäre heute wohl undenkbar. Andererseits wissen wir, dass Qualitätsprogramme nicht immer mit großen Reichweiten belohnt werden. Kein Wunder also, wenn sich Programmplaner damit schwer tun, anstelle eines seichten Spielfilms eine gesellschaftskritische Dokumentation zu platzieren.

Aber könnte man der Qualität nicht zusätzliche Anreize verschaffen? Müssten die Aufsichtsräte neben Budgetzahlen und Quotenbilanzen nicht auch einen nachvollziehbaren Qualitätsausweis einfordern?

Wenn es möglich ist, mit einer Pisa-Studie die Qualität einzelner Bildungssparten zu ermitteln, warum sollte das beim Öffentlich-rechtlichen Medium nicht möglich sein? Oder anders gefragt: Wie wird es honoriert, wenn Radio- und Fernsehprogramme Diskussionen anregen, Vorurteile und Klischees aufbrechen, gesellschaftlichen Diskurs ermöglichen, Lösungskapazität erweitern, Innovation fördern etc.?

ORF-Mitarbeiter haben den Ruf, ihrem Fortkommen zuliebe so ziemlich alles hinzunehmen. Doch die verantwortlichen Politiker sollten sich hier nicht täuschen. Das mag für die arrivierteren, großteils gut abgesicherten Kollegen gelten. Doch ein guter Teil des Programms wird heute von jüngeren, bei weitem nicht gut bezahlten Mitarbeitern mit teilweise prekären Verträgen gemacht. Die haben gar nicht mehr so viel zu verlieren. Vielleicht ist der Tag gar nicht so weit entfernt, an dem sich auch in Österreich die Medienarbeiter/innen zur Wehr setzen? (Christian Schüller/DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2008)

Replik von Wolfgang Burtscher (ORF-Landesdirektor Vorarlberg)

"Medialer Hofstaat?

Christian Schüller meint in seinem "Notruf" im STANDARD, dass sich „die Landeshauptleute ... auf Kosten des ORF einen medialen Hofstaat halten". Na toll! Ein stellvertretender ORF-Hauptabteilungsleiter macht Sparvorschläge - bei anderen - und beleidigt, pauschal!, mehrere hundert BerufskollegInnen der Landesstudios, die sich täglich unter großem Zeitdruck und unter engen Produktionsbedingungen bemühen, sowohl die regionalen Kunden via Radio, Fernsehen und Online korrekt und umfassend zu informieren und auch die nationalen Informationssendungen von der Politik und Kultur bis Sport rund um die Uhr ausgiebig mit Beiträgen zu versorgen.

Christian Schüller hat offensichtlich keine Ahnung von Struktur und Leistungen der Landesstudios. So sind unsere technischen und kaufmännischen LeiterInnen (die es übrigens nicht in allen Studios gibt) keine DirektorInnen und sowohl bei Befugnissen als auch Bezügen sehr weit von DirektorInnen und HautabteilungsleiterInnen entfernt. Dass ein Landestudio Verantwortliche für Technik und Controlling braucht, sollte andererseits selbstverständlich sein. Schüller fordert in den Ländern eine unabhängige Information und merkt an, dass das Publikum nicht dumm sei. Da hat er recht. Weil das Publikum eben nicht dumm ist und unser Informationsangebot als verlässlich, vertrauenswürdig und professionell beurteilt, produziert der mediale Hofstaat mit "Bundesland heute" die reichweitenstärkste Sendung des ORF, gestern mit knapp 1,3 Millionen ZuschauerInnen und einem Marktanteil von 67 %. Das soll uns einmal jemand nachmachen.

Wolfgang Burtscher, im Namen der ORF-LandesdirektorInnen"