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Im Osten bekommt Banker Herbert Stepic derzeit viel eingeschenkt. Trotzdem sieht er dort die Sahne.

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Standard: Wie gefällt Ihnen das österreichische Bankenpaket?

Stepic: Es ist ein sehr gutes Paket, was Konditionen und Ausmaß betrifft. Meine einzige Kritik: Es hat viel zu lange gedauert. Gut ist, dass das Apodiktische weg ist, dass bei den Zinsen von sieben bis 9,3 Prozent fürs Eigenkapital differenziert wird zwischen Banken, die System erhaltend für den Wettbewerb unterstützt werden und solchen, die notleidend sind. Auch die Dividendenbeschränkung mit 17,5 Prozent des Gewinns ist okay.

Standard: Wann wird Raiffeisen das Hilfspaket beanspruchen?

Stepic: Ich hoffe, so früh wie möglich. Wir haben prinzipielle Beschlüsse und werden uns bis Weihnachten oder spätestens Jahresende anstellen.

Standard: Wie viel Eigenkapital wird sich die RZB vom Staat holen?

Stepic: Die Entscheidung unseres Aufsichtsrates, ob und wie viel das sein wird, fällt wie gesagt vor Weihnachten. Der Raiffeisensektor meint, dass er einen Teil des Kapitals aus eigenem darstellen kann.

Standard: Werden alle großen Banken das Paket nützen?

Stepic: Ganz sicher. Es geht uns allen darum, den Kreditfluss im Laufen zu halten. Je schneller sich der Verleihungszyklus normalisiert, desto geringer werden die Auswirkungen auf die Realwirtschaft sein.

Standard: Raiffeisen International ist in Osteuropa aktiv; Sie haben vor einem Jahr gesagt, Sie sähen dort keine höheren Risiken. Jetzt schon?

Stepic: Ich hatte das auf Kreditausfälle im Vergleich mit dem Westen bezogen, und das war in unserer 20jährigen Erfahrung auch so. Heute sehe ich ein Risiko in einigen Ländern - aufgrund einer Verletzbarkeit, die sich aus einem kurzfristigen Bedarf an Fremdwährungen für die Refinanzierung ergibt. Diese Ländern kommen jetzt zum Handkuss.

Standard: Welche Ländern bereiten Ihnen das besondere Sorgen?

Stepic: Die Ukraine hat mit der Restrukturierung ihrer Wirtschaft alle Hände voll zu tun, Ungarn wird die Krise dank erfolgter Hilfe managen, betroffen sind Rumänien und Bulgarien, in abgeschwächter Form Kroatien. Unsere Lage in diesen Ländern ist gut, mit Eigenkapitalquoten um die 15 Prozent.

Standard: Sie haben Ihren riesigen Mark Russland nicht erwähnt.

Stepic: Die Russen werden das Problem ohne Unterstützung meistern. Russland hat ein Verteilungs- und strukturelles Problem: Es gibt zu viele Banken. Aber Russland hat die drittgrößten Devisenreserven der Welt. RI ist Teil der Problemlösung: Wir sind eine der Banken, die gegen Staatshaftung Geld an die 100 größten Banken geben und Liquidität gewährleisten.

Standard: Das Wachstum bremst sich ein. Was bedeutet das für RI?

Stepic: Rund 60 Prozent unseres Refinanzierungsbedarfs wird mit Einlagen vor Ort gedeckt. Wir müssen den Gürtel enger schnallen, werden deutlich weniger wachsen, die Ausfälle aus dem Privatkunden-, weniger aus dem Firmenkundengeschäft, werden steigen. Das hängt von der Realwirtschaft ab; wir werden natürlich versuchen, unsere Kunden durch zu tragen. Wir haben die Risikovorsorgen stark erhöht, sind gut gewappnet.

Standard: Machen Sie sich wirklich so wenig Sorgen?

Stepic: Viele werfen mir vor, ich sei ein Über-Optimist für Osteuropa. Natürlich gibt es harte Probleme, aber ich glaube nach wie vor, dass das Modell Osteuropa seine Gültigkeit behält, Osteuropa auch nach der Krise der Raum mit dem stärksten Wachstum bleibt, einem doppelt so hohen wie im Westen. Der Nachholbedarf nach 50 Jahren Kommunismus bleibt aufrecht. Wir müssen die EU unbedingt dazu motivieren, ein Paket für den Bankenapparat im Osten zu schnüren.

Standard: Wie soll das Ostbankenpaket ausschauen?

Stepic: Wir alle wissen, dass der Osten einer der wesentlichen Wachstumsmotoren für die EU waren. Wir alle haben um die Beendigung des Kommunismus aus ideologischen und sicherheitspolitischen Gründen gerungen, und da schließe ich die Ukraine, Russland, Weißrussland ein. Die Volkswirtschaften sind relativ klein, man kann ihnen mit begrenzten Mitteln helfen, damit der Motor weiterläuft. Die BIP-Summe der südosteuropäischen Länder macht 220 Mrd. Euro aus, mit einem Paket von 40 bis 50 Mrd. Euro kann man alle Länder Südosteuropas stabilisieren, über die Krise bringen. Das Geld soll an die paar Systembanken dort gehen, damit die Kreditgewährung im Laufen bleibt. In einer ersten Phase sollte das für EU- und EU-Beitrittsländer gelten, aus sicherheitspolitischer Sicht müsste man Länder wie die Ukraine einbeziehen.

Standard: Wie soll man das den EU-Staaten, die nicht so sehr im Osten engagiert sind, verkaufen?

Stepic: Das wird schwierig, muss man politisch erklären. Das musste man auch beim Bankenpaket in Österreich tun. Wobei ich überzeugt bin, dass das ein Riesengeschäft für den Staat wird.(Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.12.2008)