Wien - Der neue Finanzvorstand der ÖBB-Holding, Josef Halbmayr, will reinen Tisch machen und bereitet eine rote Bilanz 2008 vor. Wichtigste Baustelle sind dabei die Spekulationsgeschäfte im Volumen von 612,9 Millionen Euro, die in den vergangenen zwei Jahren ausschließlich Buchverluste produziert haben. Um das Thema vom Tisch zu bekommen, möchte Halbmayr Rückstellungen im Ausmaß des gesamten Risikos vornehmen - sofern Bilanzierungsregeln IFRS und Wirtschaftsprüfer das zulassen, sagte Halbmayr am Donnerstagabend in einem Pressegespräch.
Rückstellungen
Die ohnehin arg strapazierte ÖBB-Konzernbilanz wird durch diese Rückstellungen für Drohverluste dadurch mit bis zu 438 Mio. Euro belastet. Was das für den Jahresverlust bedeutet, wollte Halbmayr nicht beziffern. Klar ist, dass diese Rückstellungen das Ergebnis vor Steuern mit hunderten Millionen Euro belasten, in hohen Konzern- und Aufsichtsratskreisen ist von einem Minus in Höhe von gut 350 Millionen Euro die Rede.
Die Wertberichtigung im vollen Umfang würde den Weg für den Verkauf der hochriskanten Collaterized Debt Obligations (CDO) frei machen. Diese könnten 2009 verkauft werden und einen (kleineren) Teil der erlittenen Verluste wieder in die ÖBB-Kassen zurückfließen lassen.
Bei den hochkomplexen, mit der Deutschen Bank abgeschlossenen CDO handelt es sich um die am 20. September 2005 erfolgte Übernahme von Kreditrisiken aus 200 Unternehmenstiteln, ironischerweise um ein Veranlagungsrisiko "zu streuen" und höhere Rendite zu bekommen. Als Gegenleistung für die Übernahme für ein Risiko von 612,9 Mio. Euro bekommen die ÖBB von der Bank bis 2015 eine Prämie, die in Jahrestranchen von drei Millionen Euro in der Bilanz aktiviert wird.
Schlagend werden könnte die Zahlung der 612,9 Mio. Euro wegen der Finanzkrise übrigens früher als 2012 oder 2015, auch der Wert schwankt laut Halbmayr massiv. Ende 2007 wurden bereits 242 Mio. Euro dafür rückgestellt, mit weiteren 438 Mio. Euro heuer wäre bilanziell voll vorgesorgt. Nicht allerdings für die dafür nötige Liquidität. Die könnte die ÖBB wohl nicht allein stemmen, deutete Halbmayr an.
"Neuen Realismus einkehren lassen"
Insgesamt meint der mit umfangreichen Aufräumungsarbeiten beschäftigte Halbmayr: "Wir sind gut beraten, einen neuen Realismus einkehren zu lassen." Eine gänzliche Vorsorge würde die Planbarkeit für die folgenden Jahre entscheidend erhöhen.
Unabhängig vom Prozess gegen die Deutsche Bank wegen Irreführung und Nichtigkeit in Sachen Swap-Geschäft erwägt die ÖBB-Führung, die Papiere zu verkaufen - wenn die ÖBB eine Investmentbank finden, die bereit ist, dieses Risiko zu "kaufen" . Damit würde die Bahn einerseits die Verluste wirklich realisieren (abschreiben müssen), andererseits aber etwas zurückbekommen. "Die Deutsche Bank müsste einem solchen Verkauf aber zustimmen" , räumte Halbmayr ein.
Im operativen Geschäft will die ÖBB Gewinne schreiben. (ung, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14.12.2008)