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Die EU hilft bei der Versorgung mit Medikamenten im Osten des Tschad.

Foto: reuters/O'reilly

Doch die allgegenwärtige Korruption dämpft die Wirkung.

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Abeché - Sie singen. Sie wollen Polizisten werden. Der Chari, breit, braun und schlammig, der Fluss, der die Grenze zwischen dem Tschad und Kamerun bildet, schluckt die Lieder der Polizeischüler. Sie laufen im Takt. Ganz vorn sprintet ein kleiner Franzose, der Ausbildner dahinter etwa zwanzig Tschader: Das Détachement intégré de sécurité (DIS) soll im Osten des Landes die Flüchtlingscamps beschützen.

Die 850 Polizisten, darunter 16 Prozent Frauen, sollen Banditen fangen, dafür sorgen, dass sie vor Gericht gestellt werden, die Straflosigkeit beenden. Die UNOwird ihnen 350 bis 450 Dollar pro Monat zahlen, damit sie in die Bürgerkriegsregion gehen. Vier Wochen lang werden sie ausgebildet. Polizeikommissar Gerardo Chaumont von der UN-Mission Minurcat, ein streng gescheitelter, ewig lächelnder Argentinier, erklärt: "Die Liste der Kandidaten kommt von der Regierung. Wir haben gefordert, dass keine Militärs und keine Kriminelle dabei sein dürfen."

Das ist nicht selbstverständlich. Die EU zahlt zehn Millionen Euro für die Ausbildung der Truppe DIS. Aus dem EU-Entwicklungsfonds fließen außerdem in der Zeit zwischen 2008 und 2013 311 Millionen Euro in den Tschad: für Infrastruktur, gute Regierungsführung oder die Justizreform.

500.000 Euro gibt die General-direktion für Humanitäre Hilfe (Echo) der EU-Kommission heuer für das Gesundheitswesen im Osten des Tschad aus - etwa in Abeché. Durch das regionale Krankenhaus flitzt ein kleiner, weiß gekleideter Mann. "Als ich 2006 hierhergekommen bin, gab es keinen Strom, kein Wasser und keinen Kanal. Jetzt haben wir das Jahr 2008, und es hat sich nichts geändert" , schimpft Pius Knecht, der Spitalsmanager aus der Schweiz. Er hat durchgesetzt, dass jeden Tag geputzt wird, dass die Medikamente wegsperrt werden, damit sie nicht von Mitarbeitern verhökert werden, aber dass der "Operationssaal" in der Nacht "vermietet" wird, dagegen, kann auch Pius Knecht nichts tun. Selbst die zähesten Kämpfer gehen im Tschad vor der Korruption in die Knie.

Kämpfer Knecht zeigt den Holzparavent vor dem Röntgengerät, der nicht vor Strahlen schützen kann, die verbeulten Wasserfässer und den Notstromaggregator, Knecht redet vom Mittelalter. Er selbst hat einen Arzt zur Verfügung, in Abeché und Umgebung leben 240.000 Menschen. Zusätzlich betreut Jean Martin Zino, ein Mediziner von Ärzte ohne Grenzen, die verstoßenen Mädchen von Abeché: Sie wurden viel zu früh schwanger, die Babys starben im Bauch, und weil die toten Körper zu lange auf die Organe drückten, entstanden Fisteln. Die jungen Frauen können ihren Urin nicht mehr halten und werden aus der Gesellschaft verbannt. Zino redet von einer "Kette des Opferwerdens" . Die Mädchen lehnen in bunte Tücher gehüllt an den Eisenbetten.

Pius Knecht ist zornig, dass die EU nicht spontaner seine Hilferufe erhört. Die europäischen Soldaten findet er überflüssig. Die Preise und der Verdienst von einigen sei bloß gestiegen. Diese Leute kauften Autos und Motorräder. Und auf seinem Operationstisch landeten viel mehr Unfallopfer. "Ich bin froh, wenn die Eufor geht, die sitzen da in ihrem hell erleuchteten Fünfsternehotel, und ab und zu höre ich mit dem Wind, wie sie Feste feiern." Knecht meint das Eufor-"Camp der Sterne" in Abeché.

Die Unterstützung der EU ist im Tschad nicht unumstritten. Als die Weltbank 2006 einen Kredit entzog, weil die Regierung - anders als vereinbart - nicht 80 Prozent der Einnahmen aus der Erdölgeschäft für die Bekämpfung der Armut ausgab, sondern etwa in den Ankauf von neuen Waffen steckte, wollte die Europäische Entwicklungsbank ebenfalls ihren Kredit entziehen. Doch EU-Kommissar Louis Michel intervenierte. Der politische Dialog hatte Vorrang. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 13.12.2008)