Das musste ja kommen. Claudia Haider: Das intime Interview zu Haiders Tod. Und es konnte nur in "Österreich" kommen. Noch vor wenigen Wochen haben Sie in einem ÖSTERREICH-Interview gesagt, man soll kein Fragezeichen setzen, wo Gott einen Punkt setzt, wunderte sich die intime Interviewerin über das plötzliche Aufklärungsbedürfnis der Witwe. Aber wenn "Bunte" und "Österreich" keine Ruh' geben und Landtagswahlen vor der Tür stehen, bei denen der Tote noch einmal im Geiste mitmarschieren soll, dann kann Gott so viele Punkte setzen, wie er will, da werden die Fragezeichen zu Zeichen des Kampfes um einen erschütterten Ruf. Sie deponiert ihre Zweifel an der offiziellen Unfallversion, und zwar verärgert: Es sei "nicht endgültig bewiesen", dass ihr Mann in der Unfallnacht stark alkoholisiert war und viel zu schnell gefahren war. Für sie steht jedenfalls fest: "Es gibt noch viele Ungereimtheiten und Fragezeichen."

Vor allem jene, wie man nüchtern und bei erlaubter Geschwindigkeit einen solchen Unfall hinlegen kann, wie es dem Herrn Landeshauptmann selig gelungen ist. Ach ja, und Gerüchte, über die österreichweit jahrelang geschwiegen wurde, weil ausnahmsweise einmal der Anstand gesiegt hatte, Privatsachen privat bleiben zu lassen, treiben nun die Witwe zum Outing eines eingefrorenen Jagdhorntons: Mein Jörg war nicht homosexuell. Wen interessiert es jetzt, derlei breitzutreten, außer die Schnüffler von "Österreich"?

"Früher haben Jörg und ich immer über die Gerüchte gelacht", aber nicht etwa, weil sie der Orientierung ihres Mannes, welcher auch immer, mit Gelassenheit gegenübergestanden wäre. Hätte ich einen Verdacht gehabt, hätte ich mich sofort scheiden lassen. Da ist es doch besser, man belässt es bei Gelächter, bleibt verheiratet und tritt diesen Gerüchten erst entgegen, wenn sogar die als besonders seriös geltende "Süddeutsche Zeitung" spekuliert. Dabei kennt "Österreich" den Auslöser des Gerüchts genau: Stefan Petzner und seine Bekenntnisse sorgten vor allem in Deutschland für Gerüchte. Jetzt fehlt nur noch das intime Interview mit dem Lebensmenschen.

Das wird sicher nicht das letzte Coming-out vor der Landtagswahl im Frühjahr gewesen sein, erkennt doch "Österreich" ganz klar: Jörg Haiders beliebte Witwe trifft mit ihrer Skepsis genau die Stimmung im Volk, und die am Köcheln zu halten, setzt man sich ohne weiteres über alle von Gott gesetzten Punkte hinweg. An der Unfallstelle in Lambichl südlich von Klagenfurt wird das Lichtermeer auch zwei Monate nach dem Unfall täglich größer, und die Prophezeiung ist nicht gewagt, dass es vor März 2009 nicht austrocknen wird. Und falls dem Passanten nicht gleich die richtigen Gedanken kommen, wird von karinthischen Wahrheitssuchern nachgeholfen. Ein Plakat an der Unfallstelle bringt die Gedanken vieler auf den Punkt: "Kärnten will die Wahrheit. Lauter offene Fragen. Wir haben ein Recht auf Antworten." Aber es müssen schon die rechten sein.

Auch andere Kärntner haben zurzeit Probleme. Denen haben sie nicht den Gatten veruntreut, denen hat - noch schlimmer - die Raffgier der Wechsler und Händler das veruntreute Weihnachten beschert, weshalb sie jetzt mit einem in seiner Urbedeutung wieder erlebbaren Weihnachts- oder Julfest ein Stück jenes Abendlandes retten müssen, das wir bisher so wenig erfolgreich gegen die europäischen Globalisten zu verteidigen mochten. Otto Scrinzi, in der "Aula" still going far right, braucht die Wahrheit nicht mehr zu suchen, er hat sie schon.

Für uns Deutsche ist der Verlust der Erfahrung und Sinnentleerung dieses deutschesten aller Feste, letztendlich in der nordischen Sonnenverehrung wurzelnd, ein besonders schwerer Kulturverlust: Daß fast die ganze weiße Welt das aus dem Salzburgischen Oberndorf stammende "Stille Nacht, heilige Nacht ...", gleich ob Christ oder Heide, 200 Jahre mit Ergriffenheit gesungen hat, ist einer der Weltgenesungsakte, die von dem heute so geprügelten Deutschland ausgingen.

Wüssten die Heiden der ganzen weißen Welt, dass ihnen der Weltgenesungsakt, in dessen Genuss sie nun schon 200 Jahre lang kommen, nicht von einem Salzburger Dorfpfarrer, sondern von dem heute so geprügelten Deutschland spendiert wurde, würden sie vermutlich nicht "Stille Nacht, heilige Nacht ..." singen, sondern "Deutschland, Deutschland, über alles". Dass am deutschen Wesen die Welt genesen soll, vorausgesetzt sie ist weiß, ist jedenfalls eine Wahrheit, nach der man in Kärnten nicht lange suchen muss.(Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 13./14.12.2008)