Statt umweltbelastender Kerosindrucklampen nutzen diese Fischer am Viktoriasee in Kenia solarbetriebene Energiesparlampen.

Foto: Osram

Der Fischer Pottas Aboy und seine drei Kollegen bereiten in der Abenddämmerung am Ufer des Viktoriasees in Kenia ihr Holzboot für ihre nächtliche Arbeit vor. Außer ihren großen Netzen hieven sie ein aus Ästen mit Schnüren zusammengebundenes kleines Floß an Bord, auf dessen Boden ein blaues Kästchen steht und eine von einem Gestänge herabbaumelnde leuchtende Lampe hängt.

Mit gleichmäßigen Paddelbewegungen fahren sie weit auf den See hinaus und lassen das Floß ins Wasser. Das Licht der Lampe soll die Beute, vor allem kleine Viktoria-Sardinen, anlocken. Nach einiger Zeit legen die Fischer blitzschnell ihr Netz um die Lampe aus und ziehen es flink ins Boot. Hunderte silberglänzende Fischlein zappeln darin.

Lichtquellen als Köder

Seit Jahrzehnten nutzen die Fischer am zweitgrößten Binnengewässer der Welt Lichtquellen als "Köder". Doch anders als das Gros der rund 175.000 um den See verstreut lebenden Fischer nutzen Aboy und seine Kollegen seit wenigen Wochen keine Kerosinleuchten mehr, sondern Energiesparlampen, die mit solargespeisten Akkus betrieben werden.

Am Viktoriasee leben rund 30 Millionen Menschen ohne Zugang zum Stromnetz. Sie erzeugen Licht mithilfe von Kerosin, das die Gesundheit der Menschen gefährdet und die Umwelt massiv belastet.

30 Prozent Ersparnis

Die Akkus für die neuen Lampen lässt Aboy fast jeden Tag in Mbita, einer knapp 15.000 Einwohner zählenden Stadt am westlichen Ufer des Viktoriasees, am "Energy Hub" von Osram mit Solarenergie "auftanken". Der zum Siemens-Konzern gehörende Lichthersteller hat hier als Pilotprojekt eine von drei zehn kW-Solarstationen in Kenia aufgebaut, in denen die Anwohner Akkus für energiesparende Lampen sowie andere Elektrogeräte wie etwa Handys umweltschonender und kostengünstiger wieder aufladen können als das mit anderen Energiequellen der Fall ist.

100 O-Boxen

"Bedingt durch die Unruhen im Frühjahr konnten wir erst im Oktober so richtig mit dem Betrieb starten", berichtet Jochen Berner, Osram-Projektleiter vor Ort. "Im Umlauf sind an allen Solarstationen jetzt etwa 100 unserer sogenannten O-Boxen, bis April hoffen wir, an die Kapazitätsgrenze von 900 Boxen zu kommen."

Das Aufladen bzw. der Austausch einer leeren gegen eine volle O-Box, die etwa für zehn bis zwölf Stunden Licht gibt, kostet 100 kenianische Schilling (etwa ein Euro). Angesichts eines durchschnittlichen Monatseinkommens eines Fischers von 3500 Schilling (in den Tagen vor und nach dem Vollmond wird selten gefischt) kein kleiner Betrag. "Für die Kerosinlampen brauchen die Fischer allerdings etwa eineinhalb Liter pro Fang, was sie etwa 130 Schilling kostet", rechnet Berner vor.

Mikrokredite

Für den Akku und die Lampe müssen die Kunden obendrein eine Kaution von 2000 Schilling hinterlegen. Die meisten von ihnen müssen sich diesen Betrag über einen Mikrokredit finanzieren. Der Kreditnehmer muss 40 Prozent der Summe als Sicherheit dafür beim Kreditgeber einbringen und erhält dann die 2000 Schilling. Der Mikrofinanzierer nimmt etwa 14 Prozent Zinsen. "Eine Kerosinhochdrucklaterne kostet in der Anschaffung zwischen 1500 und 1800 Schilling", stellt Berner die Gegenrechnung an. "Und bei uns ist das Geld nur ein Pfand, gibt der Kunde das Gerät zurück, kriegt er auch sein Geld wieder."

An diesem Morgen herrscht reger Betrieb in der Solarstation. Joel Amimo Odongo, ein 61-jähriger Müller aus dem Nachbarort, zählt bereits zu den Stammkunden. Fast täglich lässt er hier sein Mobiltelefon für 15 Schilling laden. Er habe vier erwachsene Kinder, mit denen er regelmäßig telefoniere, erklärt er den Umstand, dass sein Handy so häufig frischen "Saft" brauche.

Bitte einmal Handy laden

Mobiltelefone (besonders der Marke Nokia, die für Schwellenländer günstige Modelle anbietet) sind in Kenia sehr beliebt, da es zu einem flächendeckenden Ausbau des Festnetzes nie gekommen ist. Telefoniert wird meist mit 20-Schilling Prepaid-Karten, mit denen etwa drei Minuten lang telefoniert werden kann. Die meisten Gespräche sind entsprechend kurz.

Viele Geschäfte, die sich zur Energieerzeugung einen Dieselgenerator leisten (in Kenia sind erst zwölf Prozent der Bevölkerung bzw. 4,6 Prozent der Haushalte ans Stromnetz angeschlossen, 50 Prozent des Stroms kommt aus Dieselkraftwerken), verlangen für das Laden eines Handys 20 Schilling. "Und dann ist es manchmal gar nicht so richtig voll", schimpft Odongo.

"Nehmen Sie doch mal einen Solarakku mit", schlägt ihm Kasim Ahnad, einer der drei Mitarbeiter der Solarstation vor, "dann müssen Sie nicht jeden Tag zum Aufladen kommen." - "Das kostet doch viel Geld", meint Odongo. "Sie können damit auch Ihr Radio und eine Lampe für Ihre Frau betreiben", lässt Ahnad nicht locker. "Hm, kann ich das erst einmal ausprobieren?" Ahnad nickt und hat vielleicht einen Kunden gewonnen.

Soziale Auswirkungen erforschen

Um die sozialen Auswirkungen des Projekts abzutesten, hat Osram für sein "Umeme Kwa Wote"-Projekt (Energie für alle) auch einen Ethnologen engagiert. "Osram will etwa herausfinden, wofür die Nutzer das Geld, das sie sich mit den Solarprodukten sparen, verwenden wollen", berichtet der Südtiroler Gerhard Meier vom Institut für Afrikanistik der Universität Wien. "Sollten die Fischer es etwa für käufliche Liebe und Alkohol ausgeben, wäre es bedenklich."

Sollte es funktionieren, hofft Osram, seine nachhaltige Licht- und Energielösungen für Regionen ohne Strom weltweit ausrollen zu können. "Wir sind ein Industrieunternehmen, Ziel ist, langfristig damit Geld zu verdienen", stellt Projektleiter Berner deutlich klar. Im Frühjahr fällt die Entscheidung. Sollte diese negativ sein, haben lokale Partner allerdings bereits signalisiert, weitermachen zu wollen. (Karin Tzschentke aus Mbita/ DER STANDARD Printausgabe, 13. Dezember 2008)