Der neue Zug bringt aber nicht nur Komfort, sondern auch Kosten.
Wien/Linz – Nach zwei Jahren Planung hat der ÖBB-Personenverkehr am Sonntag seinen neuen Fernverkehrszug Railjet auf Schiene gebracht. Mit den ersten vier Railjet-Verbindungen wurde erstmals in der Geschichte der ÖBB die Dreiklassengesellschaft eingeführt. Denn in den 67 neuen Zuggarnituren um insgesamt 816 Millionen Euro, die bis 2014 schrittweise in Umlauf gebracht werden (pro Monat ein Zug), gibt es neben der klassischen ersten und zweiten Tarif- und Ausstattungsklasse eine sogenannte Premium-Class.
In dieser Spitzenkategorie sitzen bis zu 16 Fahrgäste (mehr Luxusplätze gibt es nicht) wie in Flugzeug-Kabinen – und ÖBB-Caterer E-Express serviert die (unter Aufsicht von Meinl am Graben) kreierten Speisen und Getränke. Sie zahlen dafür 20 Prozent Aufschlag auf die herkömmliche erste Klasse.
Reservierung empfohlen
Dass das neue Konzept, das auf der Westbahn mit täglichen Direktverbindungen zwischen Budapest, Wien und München beginnt und im Dezember 2011 auf die Südbahn (Wien-Graz-Ljubljana-Zagreb und Wien-Villach-Venedig) ausgeweitet wird, zukunftsträchtig ist, davon ist ÖBB-Personenverkehr-Chefin Gabriele Lutter überzeugt. Angesichts der überschaubaren Transportkapazitäten – zu Spitzenzeiten an Feiertagen, Wochenenden und während der Schulferien gibt es pro Zug maximal 816 Sitzplätze, im Normalbetrieb kann der Railjet nur 408 Personen befördern -, rät Lutter der ÖBB-Kundschaft aber dringend zur Sitzplatzreservierung.
Die Vorteile des auch bahnintern heftig diskutierten Railjet-Ganzzug-Konzepts sieht sie in deutlich höherem Komfort und niedrigeren Produktionskosten. Die resultierten unter anderem daraus, dass die (auf das Railjet-Design umlackierten) Taurus-Loks mit den Waggons fix verbunden sind. Das spare Verschubkosten, deren größte Brocken Verschub-Maut für Schienenbenützung, Lokführer-Arbeitszeit und Traktionsleistungen wie Zugwaschanlage und Wartungsarbeiten sind. "Wir sparen pro Tag und Zug eine Verschub-Stunde, also hundert Euro", rechnet Lutter vor.
Snacks und Handtücher
Dem gegenüber stehen allerdings Mehraufwendungen im Servicebereich (vom Café im Bistrowagen bis hin zum Platzservice), denn im Ticket der Premium-Class sind – vergleichbar mit Business- und First Class im Flugzeug – Getränke, Snacks, Handtücher ("Hot Towels" ), Zeitungen und Zeitschriften inkludiert.
Ob mit höheren Ticketpreisen tatsächlich alle vom Railjet verursachten Mehrkosten einzuspielen sind, muss der Railjet-Verkehr freilich erst beweisen. Denn der von Siemens produzierte und der ÖBB-Absatz-Tochter Technische Services endgefertigte Zug schert aus den ÖBB-Produktionsprozessen aus. Als Ganzzug ist der Railjet ein Komplettfahrzeug, dessen Zugmaschine nur bei Wartungsarbeiten von den Reisezugwaggons abgekoppelt wird. Das bedeutet: Die Produktivität der Lokomotiven sinkt dramatisch, weil sie nachts, wenn der Railjet Pause hat, ruhen, anstatt wie bisher vor Güterzüge gespannt zu werden. Dadurch sinkt nicht nur die Auslastung der 67 Loks, sie sind auch für andere Zugführungen blockiert.
Mehr Sitze, zwei Loks
In den Urlaubszeiten verstärkt sich dieser negative Effekt, denn dann müssen aus Kapazitätsgründen zwei Railjets aneinandergekoppelt werden (Zugverlängern durch Anhängen einzelner Waggons ist technisch nicht möglich). Diese sogenannte Doppeltraktion hat einen negativen Effekt: Neben Zugmaschine mit Steuerwagen fährt automatisch eine zweite Lok mit, die gar nicht gebraucht wird.
Weder Lutter noch ÖBB-Holding-Chef Peter Klugar noch Holding-Finanzchef Josef Halbmayr (war bis vor 40 Tagen Personenverkehr-Finanzchef) wollen darin allerdings einen negativen Produktivitätseffekt erkennen. Die Vorteile des neuen Zugtyps würden eindeutig überwiegen. Dass dadurch die ÖBB-Traktion (gehört je zur Hälfte ÖBB-Personen- und Güterverkehr und Rail Cargo Austria) weiter in die roten Zahlen geschoben wird (2008 drohen 31 Mio. Euro Verlust), liege am Finanzergebnis, nicht an der schlechten Zahlungsmoral der Eigentümer.
Seiner Höchstgeschwindigkeit (230 km/h) kommt der Railjet ab 2012 übrigens ein Stück näher: Da sollten Wienerwald-Strecke und Lainzer Tunnel fertig ausgebaut und der Wiener Hauptbahnhof befahrbar sein, was die Fahrzeit von Wien nach Salzburg auf Zweieinviertelstunden reduziere. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.12.2008)