Kein Iraker kann heute auf ein faires Gerichtsurteil hoffen. Zu diesem Schluss kommt ein 42-seitiger Bericht der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch" (HRW). Demnach hat die Organisation im Mai diesen Jahres über 70 Untersuchungen durchgeführt, Gerichtsverhandlungen besucht, und Richter, Rechtsanwälte, Verteidiger und Justizangestellte befragt. Auch Angehörige der US-Armee, die Häftlinge aus amerikanischen Gefängnissen an die irakische Justiz überstellt haben, wurden um Stellungnahmen gebeten.

Mit dem Inkrafttreten des Sicherheitsabkommens zwischen Washington und Bagdad am 1. Jänner 2009 sollen nun alle Gefangene der multinationalen Truppen den Irakern übergeben werden. HRW dokumentiert aber, dass tausende irakische Gefangene Monate oder sogar Jahre warten, bis sie einem Richter vorgeführt werden und Anklage gegen sie erhoben wird. In vielen Fällen erhalten sie keine Chance zur Verteidigung oder zu einer Stellungnahme zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen. Auch unter Berücksichtigung der Sicherheitsprobleme, der unzureichenden Ausstattung und Überforderung durch die Fülle von Verfahren, seien die Verstöße gravierend und - vor allem - systematisch.

Geständnis unter Folter

Besonders harte Kritik übt die Menschenrechtsorganisation am Strafgerichtshof, „dem Flaggschiff der irakischen Justiz". „Iraker, die vor dieses Gericht kommen, dürfen keine Gerechtigkeit erwarten", fasst der für den Mittleren Osten zuständige Koordinator Joe Stork zusammen. Die Richter verwenden Aussagen von geheimgehaltenen Informanten und erpresste Geständnisse, die offensichtlich in der Untersuchungshaft nicht selten unter Folter entstehen.
„Die Verfehlungen des Strafgerichtshofs sind umso schwerwiegender, als das Gericht Modellcharakter für die Gerichtsbarkeit im neuen Irak haben soll", schlussfolgert Stork. Nach der Invasion 2003 hat die US-Administration das Gericht ins Leben gerufen als ein Vorbild für den gesamten neuen Aufbau der irakischen Justiz. Schon einmal übte HRW Kritik an Gerichtsverfahren im Irak. Damals ging es um das von den Amerikanern überwachte Sondertribunal für die Verbrechen Saddam Husseins, das erhebliche Mängel aufwies und Menschenrechtsbedenken hervorrief. Die Verfahren gegen Saddams Mittäter laufen noch.

Rolle des BND im Irakkrieg

In Deutschland wird erneut über die Rolle des Geheimdienstes BND_im Irakkrieg diskutiert. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel sagte der ehemalige US-General James Marks, die Informationen zweier Agenten des Bundesnachrichtendienstes aus Bagdad seien extrem wichtig und wertvoll gewesen. Durch Informationen der Deutschen sei der Beginn des Krieges vorverlegt worden. Der scheidende US-Präsident George W. Bush ist am Sonntag zu seinem Abschiedsbesuch im Irak eingetroffen. (Birgit Svensson aus Bagdad, DER STANDARD, Printausgabe, 15.12.2008)