Lache nicht über die Dummheit der anderen. Sie ist deine zweite Chance." Dieses Winston Churchill zugeschriebene Zitat dürfte Roland Koch (CDU) im Wahlkampf dankbar beherzigen. Noch vor zwölf Monaten stand der hessische Ministerpräsident mit dem Rücken zur Wand. Er hatte sich mit seinem schäbigen und durchsichtigen Anti-Ausländer-Wahlkampf („jugendliche Kriminelle abschieben") selbst ins politische Out manövriert.

Längst jedoch hat sich der Wind gedreht. Wie kein anderer profitiert Koch vom Chaos und den Kapriolen in der hessischen SPD. Er müsste sich schon einen Fauxpas von unglaublicher Dimension leisten, um am Wahlsonntag im Jänner nur auf Platz zwei zu kommen und seine schwarz-gelbe Wunschkoalition mit der FDP zu verfehlen. Vor allzu scharfen Tönen wird er sich daher diesmal hüten.
Doch Koch ist nicht der einzige Krisengewinnler. Auch der neue SPD-Spitzenmann Thorsten Schäfer-Gümbel kann nur punkten. Binnen kürzester Zeit hat sich das unbekannte Greenhorn von der Bezirksliga zumindest in die Nähe der Landesliga vorgearbeitet - ganz nach dem Motto: Du hast eigentlich keine Chance, also nütze sie gründlich.

Geht die SPD am Wahlsonntag mit Pauken und Trompeten unter, dann hat Schäfer-Gümbel eine bequeme Erklärung: Abgestraft wurde der Kurs von Ypsilanti. Kommt die SPD mit einem oder zwei blauen Augen davon, kann sich „TSG" dies auf die Fahnen heften. Ein bitterer Beigeschmack bleibt für die beiden Herren dennoch: Sie wissen genau, dass sie ihre Chancen nicht bekommen haben, weil sie so gut sind, sondern weil Ypsilanti so schwach war. (Birgit Baumann, DER STANDARD, Printausgabe, 15.12.2008)