Standard: Was halten Sie von einer immunotherapeutischen Behandlung gegen die Kokainsucht, wie sie in Spanien nun am Menschen getestet wird?

Michael Musalek: Das kann stets nur ein kleiner Teil der Behandlung sein. Allein würde sie viel zu kurz greifen. Sucht ist hochkomplex. Nur Arzneimittel können niemals zielführend sein. Von der Theorie her klingt diese neue Behandlungsform jedoch gut. Wichtiger ist nun allerdings, wie die Tests in der Praxis laufen. Rein medikamentös kann man keine Sucht behandeln.

Standard: Wie sieht es mit der Erfolgswahrscheinlichkeit bei Kokain-entzug hier in Österreich aus?

Musalek: Der Kokainentzug wird lange von schweren Depressionen begleitet, eine Phase der Antriebslosigkeit, die medikamentös behandelt werden muss. Zudem verursacht das Hochgefühl, das der Konsument erleidet, über lange Zeit zu einem sehr starken Craving, also dem Verlangen nach der Droge. Eine Sucht kommt niemals allein. Beim Kokain muss man auch zwischen dem User, der es gelegentlich in Society-Kreisen konsumiert, und dem tatsächlich Süchtigen unterscheiden.

Standard: In den USA liegt die Rückfallquote derzeit allerdings bei mehr als 90 Prozent.

Musalek: In den USA setzt man einzig auf den medikamentösen Entzug ohne psychotherapeutische Unterstützung. Das erklärt die schlechten Erfolgsquoten. Wir arbeiten in Bezug auf Rückfälle mit einer 70:30-Wahrscheinlichkeit, während diese sonst bei 10:90 liegt. Ganz wichtig ist, dass sich der Süchtige auf eine längere klinisch-ambulante Behandlung einlässt.

Standard: Wird der Mischkonsum zusehends auch in Österreich zum Problem der Kokain-Konsumenten?

Musalek: Wir haben gar keine reinen Heroinsüchtigen, ebenso wenig reine Kokainsüchtige. Mischkonsum ist die Regel, die Beidroge kann zur Hauptdroge werden. Alkohol und Tranquilizer sorgen gerade bei jugendlichen Süchtigen für pharmakologische Wirkungen und Interaktionen, die kaum noch nachvollziehbar sind.

Standard: Was halten Sie prinzipiell von einer Verabreichung der "Impfung" gegen die Drogensucht an Risiko-Gen-Trägern?

Musalek: Die Genetik der Sucht ist ein hochumstrittenes Feld. Einerseits zeigen sich Korrelationen in Suchtfamilien, aber dass es so wie beim Bluter ist, der seine Erbkrankheit weitergibt, so ist es nicht. Einen präventiven Einsatz halte ich allerdings für keinesfalls angebracht. (Jan Marot/DER STANDARD, Printausgabe, 15. Dezember 2008)