Kurz vor Weihnachten hat die Wiener Stadtregierung eine schlechte und eine schlechte Nachricht. Welche will man wohl zuerst hören?
Mit 1. Jänner haben die Wiener Haushalte mit weiteren Teuerungen zu rechnen. Wurden Mitte November die Strom-, Gas- und Fernwärmepreise erhöht, sollen die Wiener ab Jänner auch für Müll und Kanal mehr bezahlen. Die zweite schlechte Nachricht: Die Anhebung des Kategoriemietzinses erfolgt im Februar - womit das Wahlversprechen von Bürgermeister Michael Häupl (SP), dass vor Jahresende die Mieten und Kommunalgebühren nicht erhöht werden, zumindest im Wortsinn nicht gebrochen worden ist.
Dass eine Erhöhung ansteht, wurde von der roten Stadtregierung zwar nicht geleugnet, die Katze ließen Umweltstadträtin Ulli Sima und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig aber erst am Montag aus dem Sack. Wobei: Das Wort Erhöhung wurde nicht in den Mund genommen. Bei der Kategoriezinserhöhung sprach Stadtrat Ludwig lediglich von "Anpassungen", vor denen man die Wiener heuer offiziell wegen der hohen Inflation verschonen wollte. Es ist aber anzunehmen, dass die Anpassung aus wahltaktischen Gründen nicht erfolgt ist. Denn gesetzlich möglich wäre sie gewesen: Private erhöhten die Mieten schon im Oktober. Gemeindebaubewohner müssen ab Februar 5,69 Prozent mehr Miete bezahlen. Das sind netto 0,11 Euro pro Quadratmeter mehr.
Für Abwasser und Müll verrechnet die Stadt 5,59 Prozent mehr. Geht man von einem Durchschnittshaushalt von drei Personen aus, der wöchentlich 120 Liter Müll (im Bild ist eine 240-Liter-Tonne zu sehen, in Wohnhausanlagen finden sich meist 770- beziehungsweise 1200-Liter-Gefäße) produziert und gut 3100 Liter Wasser verbraucht, muss dieser um 2,03 Euro mehr im Monat bezahlen, sagen die Stadträte.
Valorisierung macht's möglich
Pro Kubikmeter Wasser (entspricht 1000 Litern) zahlt man nun 1,78 Euro statt bisher 1,69. Die Müllabfuhrabgabe beträgt künftig pro 120 Liter pro Woche 3,99 Euro statt bisher 3,78 Euro. Grundlage dieser Erhöhungen ist das Valorisierungsgesetz. Dieses sieht eine automatische Gebührenerhöhung vor, wenn der Verbraucherpreisindex zur Jahresmitte um mehr als drei Prozent steigt. Automatisch bedeutet: Der Gemeinderat muss sich nicht damit befassen. Die Opposition wollte das Gesetz, das 2007 mit den Stimmen der SPÖ-Mehrheit im Gemeinderat beschlossen wurde, abschaffen. Die Mühen waren jedoch vergeblich: Häupl behielt sich vor, im Einzelfall zu entscheiden. Der Einzelfall in diesem Fall: Die Wassergebühr wird nicht erhöht.
Finanztechnische Keule
Das Valorisierungsgesetz wurde für notwendig befunden, weil die Erhöhung, wie sie bisher lief, als finanztechnische Keule galt, die die Wiener unregelmäßig traf. Vor der letzten Gebührenerhöhung 2006 lag die Anhebung für Müll vier Jahre, jene für Abwasser elf Jahren zurück. Um 20 beziehungsweise 28 Prozent wurde die Müll- und Abwasserabgabe vor zwei Jahren erhöht.
Bei Strom und Gas passiert die Anpassung regelmäßiger, den Haushalten kommt sie aber trotzdem teuer. Seit 2003 haben sich nach fünf Tariferhöhungen die Kosten verdoppelt. Zahlten Kunden von Wien Energie vor fünf Jahren noch durchschnittlich 196,70 Euro im Jahr für Gas, müssen sie nach der bisher letzten Erhöhung am 15. November 418,19 Euro zahlen. Für Strom zahlte man 2003 durchschnittlich noch 99,73 Euro. Sieben Erhöhungen später zahlen die Hauptstädter 219,19 Euro im Jahr.
Die jüngst erfolgte Erhöhung - acht Prozent für Strom und 21 Prozent für Gas - soll im Februar zum Teil aber wieder rückgängig gemacht werden: Gas soll gegen Ende der Heizsaison um bis zu acht Prozent billiger werden. Die Stadträte Ludwig und Sima begründen die aktuell geplanten Erhöhungen mit notwendigen Ausgaben im kommenden Jahr - die noch dazu die heimische Wirtschaft ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen sollen. Ludwig will mit 475 Millionen Euro in Neubau und Sanierung von Wohnhäusern fördern. Die Investition in Wohnbau sichert beziehungsweise schafft laut Ludwig 17.000 Arbeitsplätze. Ein Schwerpunkt soll die thermische Sanierung von Wohnhäusern werden: Der Energieaufwand sinkt in diesen Häusern um bis zu 50 Prozent. Umweltstadträtin Sima will beispielsweise ein Abfalllogistikzentrum bei der Müllverbrennungsanlage Pfaffenau um 40 Millionen Euro errichten lassen und laufend in Erhaltung von Kanalanlagen investieren.
Opposition schäumt
ÖVP, FPÖ und Grüne sind erbost über die Erhöhungen. Matthias Tschirf (VP) findet es "unfassbar", dass die SPÖ trotz Konjunkturkrise die "Abzockerei" fortsetze. Grünen-Chefin Maria Vassilakou spricht von "Sozial-Verrat", Eduard Schock (FP) von einem "Gebühren-Raubzug". Die Arbeiterkammer fordert wegen der Konjunkturflaute die Rücknahme der Erhöhung. (Marijana Miljkoviae/DER STANDARD-Printausgabe, 16.12.2008)