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Wien - Der mutmaßliche Milliarden-Betrug durch den US-Wertpapierhändler Bernard Madoff zieht immer weitere Kreise. Am Montag erklärten zahlreiche internationale Institute, dass sie wegen Anlagen bei Madoffs Investmentfonds hohe Verluste befürchten. Spaniens größte Bank Santander hat nach eigenen Angaben 2,3 Mrd. Euro bei Madoff angelegt, der großen europäischen Bank HSBC drohen angeblich Ausfälle von mehr als einer Milliarde Euro (siehe Grafik).

Auch in Österreich ermittelt bereits die Finanzmarktaufsicht FMA. Hier dürfte besonders die Bank Austria betroffen sein - genaue Zahlen gibt es jedoch noch nicht. Dem Vernehmen nach zählen rund 650 Kunden der Bank zu den Geschädigten; sie haben angeblich an die 140 Mio. Euro veranlagt. Die Bank Austria ist sozusagen aus historischen Gründen besonders in diesen Fonds engagiert: Die Primeo-Funds (jahrelang galten sie als besonders erfolgreich) waren in einer Bank-Austria-eigenen Off-shore-Gesellschaft (Worldwide Fund Management) gebündelt, gemanagt hat sie Madoff. Letztlich wurde die Fondsgesellschaft an Pioneer Alternative der UniCredit übertragen. Die Beteiligung, Bank Medici, wiederum emittierte (über eine karibische Gesellschaft) den Herald-Fund - angeblich hat Medici allerdings einen Vertrag mit der HSBC, was eine wichtige Rolle bei allfälligen Schadenersatzansprüchen spielen könnte. Medici soll, zumindest in den Anfangsjahren, hohe Fees und Kommissionen kassiert haben.

Weitaus geringer ist das Engagement der Erste Bank. Sie hält über den Dachfonds "ESPA - Portfolio Target 4" eine "Minimalbeteiligung" an einem Primeo-Fund. Ein einstelliger Millionenbetrag wurde zudem an Privatkunden verkauft.

Der Finanzdienstleister AWD glaubt, vom Madoff-Debakel nur "im Promillebereich" betroffen zu sein - es gebe nur zwei Primeo-Kunden; einer davon ist übrigens AWD-Berater. Auch das Engagement in Herald-Fonds liegt laut AWD im "Promillebereich" . Die Privatbank Gutmann gibt an, ihre Kunden seien "sehr, sehr geringfügig" betroffen, die Bank selbst "so gut wie gar nicht" .

Die Oesterreichische Nationalbank, die seit Freitag Erkundigungen bei den Banken einzieht, schätzte am Montag, österreichische Anleger könnten ca. 350 Mio. Euro in den betroffenen Fonds stecken haben. Gerüchte aus Finanzkreisen sprechen dagegen von Summen, die ein Vielfaches dessen darstellen.
Freilich sind neben Banken und deren Anlegern jede Menge Institutionen und Organisationen aus Europa, Asien und den USA betroffen. Die Folgen zeichnen sich jetzt schon ab: Die US-Stiftung Robert I. Lappin, die Bildungsprogramme in Israel finanziert, hat bereits ihre Zahlungen gestoppt. Auch zahlreiche andere Wohltätigkeitsorganisationen, die ihre Spendengelder bei Ex-Kapitalmarkt-Star Madoff veranlagt hatten, stehen vor dem Aus. Die Spuren der Verwüstung ziehen sich bis in den Sport: So hat etwa die US-Beteiligungsgesellschaft Sterling Equities - ihr gehört das Baseball-Team der New York Mets - Geld bei Madoff veranlagt.

US-Aufsicht unter Kritik

Heftige Kritik muss sich bereits die amerikanische Börsenaufsicht SEC gefallen lassen. Sie hat Madoffs Unternehmen seit 1996 dreimal geprüft; die letzte Untersuchung wurde im Vorjahr abgeschlossen. Gründe für Beanstandungen wurden nicht gefunden. Nun versucht neben der Aufsicht der amerikanische Staatsanwalt Licht ins Dunkel zu bringen und zu eruieren, wie der Investmentbanker Anleger und Behörden über Jahre in die Irre führen konnte (es gilt die Unschuldsvermutung).

Nach Angaben der US-Ermittler hat Madoff bereits eingeräumt, bei seinen Geschäften habe es sich um "eine einzige große Lüge" gehandelt. Tatsächlich sei er seit Jahren zahlungsunfähig gewesen.(Renate Graber, Bettina Pfluger/DER STANDARD Printausgabe, 16. Dezember 2008)