Google will den Zugang zu seinen Services im Web verbessern - Wall Street Journal ortet geänderten Standpunkt in Bezug auf Netzneutralität

Der Suchmaschinenprimus will seine Services schneller an die Nutzer bringen und verhandelt offenbar mit großen Internet- und Telefonanbietern, um den Google-Content schneller im Netz zu transportieren. Das Wall Street Journal (WSJ), das Googles Vorhaben aus Dokumenten erfahren hat, spricht von einem Rückschlag für die Netzneutralität. Experten widersprechen den Schlussfolgerungen der Zeitung jedoch und sprechen von einem hochgespielten Skandal.

Google-Server direkt bei Providern

Das Prinzip der Netzneutralität sieht vor, dass Provider den Traffic aller Content-Anbieter gleich behandeln. Google sei laut WSJ bisher einer der vehementesten Verfechter dieses Ansatzes gewesen. Mit OpenEdge (so der interne Projektname) wolle der Konzern seine Server nun jedoch direkt in den Netzwerken der Service-Provider platzieren, um die Übertragung seiner Dienste zu beschleunigen. Die Cache-Server an den Standorten der ISPs speichern Content wie beispielsweise YouTube zwischen, der ansonsten von fernen Servern geladen wird. Das ist im Sinne der Provider, die dadurch Bandbreite und somit Kosten sparen - ein wichtiges Ziel angesichts der Tatsache, dass der Internet-Traffic jährlich um geschätzte 50 Prozent zunimmt.

Verstoß gegen Regulierungs-Richtlinien

Wie die Zeitung von Kreisen erfahren hat, soll Google die Provider gebeten haben, vorerst noch nicht über die Pläne zu sprechen. Ein Vertreter eines großen, nicht näher genannten Providers, habe jedoch seine Bedenken über das Projekt geäußert. Die Pläne könnten gegen die Richtlinien zur Netzneutralität der US-Regulators Federal Communications Commission (FCC) verstoßen.

Geändert Standpunkte

Google sei nicht das einzige Unternehmen, das seinen Standpunkt zur Netzneutralität geändert habe, so das WSJ. Auch Microsoft und Yahoo würden heute andere Ansätze vertreten als früher. Amazon habe mit dem Provider Sprint einen schnelleren Download-Service für Inhalte für seinen E-Book-Reader Kindle ausgehandelt.

Gefahr für Meinungsfreiheit

Eine Aufgabe der Netzwerkneutralität würde bedeuten, dass im Internet die Inhalte jener Unternehmen schneller übertragen würden, die über die entsprechende finanzielle Kraft verfügen. Kritiker befürchten dadurch auch eine Gefährdung der Meinungsfreiheit. Obama hatte erste vor einem Jahr gegenüber Google-Mitarbeitern erklärt, dass die Neutralität des Netzes immer gewährleistet bleiben müsse. Doch bis auf die Wirtschaftszeitung ortet offenbar niemand eine derartige Verlagerung der Positionen.

Verwirrung um Experten-Meinung

Laut dem Bericht habe auch Stanford-Professor und Obama-Berater Lawrence Lessig seinen Standpunkt geändert. Obwohl Befürworter der Neutralität, vertrete Lessig laut der Zeitung die Position, dass Content-Anbietern die Möglichkeit gegeben werden sollte, für schnellere Services zu bezahlen. Selbst schreibt er jedoch in einem Blog-Eintrag, dass Provider von Kunden zwar höhere Preise für schnellere Internetzugänge verlangen könnten, besser zahlenden Content Anbietern aber keine flottere Übertragung ihrer Inhalte und Applikationen anbieten dürften - und behauptet damit so ziemlich das Gegenteil von den im Blatt zitierten Aussagen. (Der Eintrag war zu Redaktionsschluss nicht erreichbar, wird aber auf BoingBoing zitiert.)

Ausbau der Infrastruktur

Googles OpenEdge-Pläne stellen im Grund keinen Eingriff in die Netzneutralität dar, sofern durch die schnellere Übertragung andere Inhalte nicht benachteiligt behandelt werden. Sogesehen könnten Googles Pläne auch dahingehend interpretiert werden, dass die umfangreichen Daten durch einen Ausbau der Infrastruktur die Netze nicht mehr so stark belasten sollen. So will man es auch bei Google selbst verstanden wissen. In einem Blog-Eintrag hat Googles Telekom-Berater Richard Whitt den Artikel des WSJ als "verworren" und "übertrieben" bezeichnet. "Unser Einsatz für das Prinzip der Netzneutralität ist so stark wie eh und je." Whitt betont, dass es sich nicht um exklusive Deals handelt und auch andere Content-Provider lokale Cache-Server nutzen könnten und würden.

Kampagne gegen Lessig und Google?

Bei intern.de hegt man den Verdacht, dass das WSJ eher der Position des Providers AT&T zuspiele, der gegen staatlich regulierte Netzneutralität eintritt, und es so aussehen lassen wolle, dass frühere Befürworter nun zu Gegnern geworden sind um neue Diskussionen vorzubereiten. Dieses Vorgehen ist umso brisanter, da unter dem neuen Präsidenten Obama auch ein neuer Leiter der FCC bestimmt werden muss und Lessig als Anwärter dafür gehandelt wird. Mit dem Bericht werden der Obama-Berater jedoch als unglaubwürdig dargestellt. (br/pte)