Die EU-Kommission hat am Mittwoch entschieden, Österreich wegen der sektoralen Fahrverbote auf der Tiroler Inntalautobahn beim Europäischen Gerichtshof zu klagen. Aus Sicht der Brüsseler Behörde widersprechen die Beschränkungen für bestimmte Lkw-Transporte dem freien Warenverkehr. Das Fahrverbot darf dennoch ab Jänner ausgeweitet werden.


Industriekommissar Günter Verheugen betonte in einer Pressemitteilung, er bedauere, dass es zu keiner Einigung gekommen sei. "Wir haben uns sehr lange um eine einvernehmliche Lösung bemüht. Wir haben wichtige Übereinstimmungen erzielt und waren schließlich einer Lösung sehr sehr nahe. Sie ist schließlich von der österreichischen Seite verworfen worden, was ich bedauere. Nun entscheidet das Gericht."

Die Kommission habe sich in intensiven Kontakten mit der österreichischen Seite bemüht, "ein balanciertes Ergebnis" zu erreichen, "das den Bedürfnissen des freien Warenverkehrs und des Umwelt- und Gesundheitsschutzes voll Rechnung trägt", hieß es weiter. In einigen Punkten seien auch Verbesserungen erreicht worden, räumt die Brüsseler Behörde ein.

Keine einstweilige Verfügung

Die EU-Kommission hat auf die Einbringung einer einstweiligen Verfügung verzichtet, nachdem Tirol die Ausweitung noch einmal gesplittet hat. Damit werden ab Jänner zusätzliche 80.000 Lkw auf die Schiene geführt, ab Juli werden es dann insgesamt 200.000. Sollte der EuGH gegen die Fahrverbote entscheiden, dürfte freilich kein Weg daran vorbeiführen, die sektoralen Fahrverbote zu kippen.

Bures begrüßt Kompromiss

Die österreichische Infrastrukturministerin ist trotz der Klage nicht unzufrieden. "Dass die Kommission auf die Einstweilige Verfügung verzichtet ist für Österreich ein Verhandlungserfolg", erklärte Doris Bures (SP). Bures spricht von einem "Kompromiss", der durch Diplomatie ermöglicht worden sei: "Es wird zwar nur ein Teil der Güter auf die Schiene verlagert, aber das Entscheidende ist: Die betroffene Bevölkerung wird ab 1. Jänner 2009 in einem ersten Schritt entlastet." Auf die Klage vor dem EuGH werde sich Österreich gut vorbereiten.

Tirol "feiern" Etappensieg

Auch Tirol sieht einen Fortschritt. "Jetzt haben wir einen ganz, ganz wichtigen Etappensieg erreicht. Denn damit hat Tirol die Möglichkeit zu beweisen, dass der freie Warenverkehr durch das sektorale Fahrverbot nicht beeinträchtigt wird, sondern über die Rollende Landstraße abgewickelt werden kann", erkärte LHStv. Hannes Gschwentner (SP) erneut. Er erhoffe sich dadurch einen "wichtigen Impuls hinsichtlich eines Umdenkens in der europäischen Verkehrspolitik". Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) verwies neuerlich darauf, dass man in Brüssel vor allem auf Diplomatie gesetzt habe.

Gelassen sah das Transitforum Austria-Tirol unter der Führung von Fritz Gurgiser, der auch als Abgeordneter der Liste Fritz im Tiroler Landtag vertreten ist, die Klage der Kommission. Er setzte darauf, dass der Europäische Gerichtshof das EG-Recht weit besser kenne, als die Kommission, die immer noch nicht begriffen habe, dass dieses Fahrverbot den "freien Warenverkehr" nicht eine einzige Sekunde unterbinde. Immerhin stehe doch eine durch den Steuerzahler modernisierte Eisenbahn ebenso zur Verfügung wie eine Reihe weiterer, zum Teil deutlich kürzerer Alpentransitstrecken, erklärte Gurgiser. (APA)