Neue Zeiten, neues Leid: "Mundl" Sackbauer (Karl Merkatz) und seine Toni (Ingrid Burkhard) in "Echte Wiener - Die Sackbauersaga" , der Kinoaktualisierung eines TV-Hits.

Foto: Welan

Wien - Es war anno 1975, da sprengten die Sackbauers die Hegemonie der kreuzbraven Fernsehfamilien. Plötzlich war aus dem TV-Gerät ein derbes Wiener Idiom zu vernehmen. Das Familienoberhaupt - als wirklicher Patriarch schon entmachtet, aber als Maulheld noch lautstark - stand bevorzugt in ausgeleiertem Feinripp vor der Kamera. Die Kronkorken ploppten in rascher Frequenz, und die Familie war steter Konfliktherd und ewige Baustelle.

Der larmoyante Austro-Macho Mundl, wie ihn ein dem TV-Publikum damals noch relativ unbekannter Theaterschauspieler namens Karl Merkatz spielte, brachte es dann rasch zum Nationalmythos. Seine "Watschn, dass da drei Tog da Schädl woggelt" und andere Versprechen wurden geflügeltes Wort. Aber seither und inzwischen ist alles anders. Auch die Fernsehwelt hat sich gewandelt.

Die Osbournes und zahllose Selbstdarsteller in Nachmittagstalkshows oder Reality-Formaten haben die Grenzen des Mach-, Sag- und Zeigbaren auf ein anderes Niveau gesenkt. Und umgekehrt hat auch das österreichische Proleta-riat vor allem (klein-)bürgerliche Kinder hervorgebracht, die wiederum eher den Lebensstil der Lieben Familie nachahmen (diese Entwicklung abzubilden ist dem Film Echte Wiener - Die Sackbauer-Saga durchaus ein Anliegen).

Über all dem mag man wehmütig werden. So wehmütig, traurig und wütend wie es der annähernd achtzigjährige Edmund / Mundi / Mundl Sackbauer ist, als ihm ein Bagger mir nichts, dir nichts Schrebergarten und Gartenzwerg planiert - am Beginn dieser Saga, die nun nicht fürs Fernsehen, sondern fürs Kino produziert und von Kurt Ockermüller inszeniert wurde.

Jede Menge Familienzuwachs

Der Anachronismus, ein Gefühl von Deplatziertheit ist dem Film selbst klugerweise eingeschrieben. Allerdings huldigt Echte Wiener dieser Befindlichkeit auch völlig ungezügelt: Alle, wirklich alle von damals müssen noch einmal dabei sein (Auftritt: Merkatz, Ingrid Burkhard, Liliana Nelska, Erika Deutinger, Klaus Rott und Alexander Wächter; Götz Kauffmann, Dolores Schmidinger und Kurt Weinzierl).

Plus die nachfolgenden Generationen: Die Familie ist inzwischen und seit der Geburt des "Rönne" /René, Erstgeborener des Karli-Nudelaug, angewachsen um zwei weitere Enkerl plus einen Urenkel. Todesfälle waren zu verzeichnen, Ehen wurden geschieden, quasi Patchwork-Konstellationen formiert. Und ohne noch näher ins Detail zu gehen, liegt hierin bereits zu einem Gutteil begründet, woran der Film so schwer zu tragen hat, dass nicht nur der Zuschauer daran laboriert.

Großes Mitteilungsbedürfnis

Echte Wiener ist gezeichnet von einem überbordenden Mitteilungsbedürfnis, das den Film fortwährend sprengt. So treffend einzelne Beobachtungen auch sind, all die Figuren und Problemzonen, Schauplätze und Ereignisse wären gut für zig Folgen einer Fernsehserie - die Autor Ernst Hinterberger sicher auch gerne geschrieben hätte. Für einen funktionierenden Kinofilm hätte es allerdings einer strengeren Dramaturgie und sehr vieler Streichungen bedurft.

Auch die Montage produziert manche Absurdität: René (verkörpert von Film-Falco Manuel Rubey) genehmigt sich am heimischen Küchentresen an der Kaffeemaschine ein Tässchen. Mundl absolviert derweil einen äußerst langen, emotional fordernden Besuch im Krankenhaus, dann kommt er zurück nach Hause. Schnitt: René steht immer noch im Unterleiberl am selben Fleck in seiner Küche, obwohl Stunden vergangen sein müssen - und das ist auch mit dessen depressiver Antriebslosigkeit nicht ausreichend zu erklären. Echte Wiener sind im Kino kein wirkliches Vergnügen. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 16.12.2008)