"Darf man gar nichts gegen die EU sagen? Ist die EU über jede Kritik erhaben?" - Das sind Reaktionen, wie man sie in diversen Internet-Foren, auch auf derStandard.at und bei Lesern findet, wenn es etwa um die Kampagne der Krone gegen die EU geht.

Klar kann man die EU kritisieren und seriöse Zeitungen tun das auch ständig. Aber man muss sich schon entscheiden, ob man Gekreische wie "Ja, unser Geld mit vollen Händen, sieht man die Brüssler Brut verschwenden" (Wolf Martin in der Krone) unter legitime Kritik einordnet. Oder unter manipulativ bzw. verhaltensgestört. Und wie man Organisationen wie die "Libertas" einordnet, die vermutlich bei den EU-Wahlen auch in Österreich kandidieren will (Krone-Kolumnist Hans-Peter Martin wäre gern Spitzenkandidat).

Kurzum, es geht darum, ob Kritik an der EU aus konstruktiver oder aus obskurer und/oder interessengeleiteter Haltung kommt. Vor diesem Problem sehen sich die SPÖ unter Werner Faymann und die Grünen unter ihrer designierten Vorsitzenden Eva Glawischnig. Beide reagieren (reagierten) auf eine in der letzten Zeit stark angestiegene EU-Ablehnung in der Bevölkerung. Beide wähl(t)en den Weg der populistischen Anpassung. Faymann an die Krone, Glawischnig an die Marktwirtschafts-und Globalisierungskritiker von Attac etc.

Vor allem Eva Glawischnig könnte da ein schwerer Fehler unterlaufen. Sie steigt auf eine EU-kritische Linie zu dem Zeitpunkt um, da die Leute den Wert übernationalen Vorgehens in der Finanzkrise erkennen. Was sie vielleicht bei den linken Globalisierungskritikern gewinnt, kann sie bei Realos verlieren. Überdies wird die EU-kritische Linie vermutlich stark von der "Libertas"-Bewegung des irischen Geschäftsmannes Declan Ganley besetzt werden.

Ganley ist ein Geschäftsmann, der mit immensen Mitteln (nach eigener Angabe 800.000 Euro) das irische "Nein" beim Referendum über den Vertrag von Lissabon herbeigeführt hat. Er hat sein Geld mit dem Abholzen von Wäldern in der ehemaligen Sowjetunion gemacht, war an der (schiefgegangenen) Coupon-Privatisierung in Albanien beteiligt und hat Riesenaufträge für spezielle Kommunikationsgeräte vom US-Militär. Er wurde beschuldigt, im Solde der Regierung Bush die europäische Einigung hintertreiben zu wollen.

Tatsache ist, dass Ganley im Juli 2008 vor dem ultrakonservativen, in der Bush-Administration einflussreichen Washingtoner Thinktank "Heritage Foundation" eine akklamierte Rede hielt. Die "Heritage Foundation" will keine EU als Rivalen der USA: "Wir wollen ein starkes Europa, aber nicht eines, das die Politik der USA bekämpft. Wir ziehen es vor, 25 Außenminister als Partner zu haben, statt einen von der EU", sagte eine "Heritage"-Vertreterin zum Autor dieser Zeilen. Ganley ist am ehesten ein Thatcherist wie der tschechische Präsident Václav Klaus: Kapitalismus pur, eher Anlehnung an die USA als an ein geeintes Europa.

Die EU-Kritik wird also stark von rechts besetzt (Krone plus "Libertas"); wollen die Grünen dazu von links in Konkurrenz treten?(Hans Rauscher/DER STANDARD Printausgabe, 16. Dezember 2008)