Gabriela ist gerade 16 Jahre alt geworden, Geld hat sie keines, von zu Hause ist sie ausgezogen, die letzten Monate war sie im "Chill-out", einer Einrichtung des Landes für wohnungslose junge Menschen. Vor ihr liegt eine Strafverfügung der Stadt Innsbruck über eine Geldstrafe in der Höhe von 200 Euro - oder zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe: Gabriela hat am 18. November um 22 Uhr 40 ihrer 15-jährigen Freundin eine Zigarette geschenkt, direkt am Hauptbahnhof: Ein "Hot Spot" in Innsbruck. Das Alkoholverbot der Stadt wird dort von eigenen Beamten und der Polizei überwacht.

"Chill-out"-Betreuer Stefan Schnegg muss derzeit häufig Berufungen gegen diese Strafen schreiben. Die Strafen für "Biertrinken", "Zigaretten rauchen oder verschenken" erscheinen ihm hoch, auch wenn sie, wie in Gabrielas Fall, Paragraf 21 und Paragraf 18 des Tiroler Jugendschutzgesetzes entsprechen. Was ihn vor allem ärgert ist, dass "Beratung" vollkommen fehlt. Denn laut Jugendschutzgesetz müsste erst beraten und dann gestraft werden. "Der Jugendschutzgedanke scheint den Behörden vollkommen abhanden gekommen zu sein", kritisiert Schnegg: Es dominiere offenbar die bloße Strafabsicht. Aus dem Jugendschutzgesetz sei in Innsbruck ein Jugendstrafgesetz geworden. Schnegg erzählt von einem 15-jährigen Mädchen: Dieses sei wegen eines Vergehens gleich zweimal bestraft worden: "Für das Trinken aus einer Bierdose ist sie nach dem Alkoholverbot zu 100 Euro Geldstrafe und zusätzlich zu 100 Euro nach dem Jugendschutzgesetz verurteilt worden."

Gesetze einfach vollziehen

Für Hubert Rimml vom Kriminalreferat des Stadtpolizeikommandos müsse die Polizei nicht bewerten, ob Gesetze gut seien, sie sollten einfach vollzogen werden. 200 Euro - wie in Gabrielas Fall - kämen ihm aber "komisch" vor. Zuständig seien aber hauptsächlich die Beamten der Stadt. Deren Chef war für den Standard nicht erreichbar.

Martin Hof von den Grünen hält eine Geldstrafe für minderjährige Ersttäter für "jenseitig". Die Zahlen der Stadt seien aber deutlich: Mit insgesamt 293 Verwaltungsstrafverfahren (davon 26 gegen Minderjährige) in rund sieben Wochen sei klar, dass "nur gestraft und nicht beobachtet" werde. Das sei "kontraproduktive Sozialarbeit", so Hof: Durch Verbote und Strafen würden Kids aus prekären Verhältnissen weiter in den Untergrund gedrängt: Und wenn sie nicht zahlen könnten gleich ins Gefängnis - zur Ersatzfreiheitsstrafe. (Verena Langegger/DER STANDARD-Printausgabe, 16.12.2008)