Eva-Maria Höhle, Generalkonservatorin des Bundesdenkmalamts.

Foto: Corn

Im Gegensatz zu manchem Gebäude am Wiener Ring.

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Standard: Der "Falter" ging der Frage nach, welche Bauwerke in Wien abgerissen werden sollten: Was halten Sie von den Vorschlägen?

Höhle: Sie sind zum Teil sehr gut ausgewählt. Ich halte vor allem das, was in den 80er-Jahren in der Ringstraßenzone entstanden ist, für problematisch. Da wären das Mariott zu nennen, das Plaza und die Polizeidirektion. Diese drei Bauwerke können dem Rang der Ringstraße als städtebauliches Gesamtkonzept nicht entsprechen.

Standard: Ihr Kommentar zum Vorschlag, das Haas-Haus abzureißen?

Höhle: Für mich persönlich ist es nach wie vor zu laut an dieser Stelle. Dass sich der Stephansdom darin spiegelt, ist kein Kriterium.

Standard: Derzeit tobt ein Kampf um die Erhaltung des Riesenpanoramas in Innsbruck. Die Tiroler Landesregierung will das Gemälde in ein noch zu bauendes Museum am Bergisel transferieren. Das Denkmalamt hat aber einen negativen Bescheid ausgestellt. Warum?

Höhle: Die Einheit von Gebäude und Gemälde ist der Aufgabe eines Panoramas immanent. Über einen schmalen Zugang gelangt man in den gekuppelten Raum - und ist ob der theatralischen Inszenierung erstaunt. Die Realität geht nahtlos in die Illusion über. Das Riesenpanorama ist so etwas wie ein historisches Imax-Kino. Der schottische Maler Robert Barker brachte Ende des 18. Jahrhunderts ein Patent ein, das sowohl die Typologie des Gebäudes als auch des Gemäldes umfasst. 1974 wurden Gebäude und Gemälde in Innsbruck als zusammengehörig unter Schutz gestellt. Die schirmartige Konstruktion aus Holz ist als technisches Denkmal absolut bemerkenswert.

Standard: Könnte das Gemälde überhaupt ohne Beschädigung abtransportiert werden?

Höhle: Nein. Die bemalte Leinwand ist zehn Meter hoch, 100 Meter lang. Diese 1000 Quadratmeter könnte man nur in zwei Teilen transportieren. Man müsste also Nähte öffnen; im Bereich zumindest einer Naht würde die originale Malschicht beschädigt werden.

Standard: Bei einem solchen Historienschinken wäre das doch vielleicht zu verschmerzen?

Höhle: Nein. Die künstlerische Qualität ist ungewöhnlich hoch. Michael Zeno Diemer, der Maler, war ein wichtiger Exponent der Münchner Schule. Und Franz von Defregger arbeitete mit.

Standard: Die Landesregierung ließ sich durch das negative Gutachten nicht beeindrucken: Man brachte beim Kulturministerium Berufung ein. Und dieses will, wie ich höre, das Bundesdenkmalamt (BDA) overrulen. Passiert so etwas öfter?

Höhle: Nein. In der Regel wird die Sachentscheidung des BDA respektiert. Ich hoffe, dass man das auch in diesem Fall so hält. Es ist eben keine Tiroler Provinzposse: Es geht um das nationale Verständnis der Rolle des Denkmalschutzes in Österreich. Zudem ist das Rundgemälde längst schon eine internationale Angelegenheit geworden. Die Einschätzung des BDA wurde von vielen Organisationen bestätigt, darunter dem Europarat, der Denkmalorganisation Icomos und Europa Nostra. Und die Unesco begrüßte, dass das Rundgemälde von Waterloo für das Weltkulturerbe angemeldet wurde: Sie empfahl, die Einreichung auf alle vier Panoramen aus der Blütezeit dieser Kunstform, bei denen die Einheit von Gebäude und Gemälde erhalten ist, zu erweitern. Das sind neben Waterloo Scheveningen, Altötting und eben Innsbruck. Man misst diesen Einrichtungen also sogar Weltkulturerbequalität zu.

Standard: Was bedeutet es für die Denkmalpflege, wenn die Übersiedelung genehmigt werden sollte?

Höhle: Gelinde gesagt: eine Katastrophe. Denn das Bundesdenkmalamt hat die Aufgabe, auf Basis des Gesetzes sachlich zu entscheiden - nach dem aktuellen Forschungsstand und orientiert an internationalen Standards. Wenn jetzt andere Interessen darüber gestellt werden, dann wird die Sachentscheidung grundsätzlich in Frage gestellt. Das wäre fatal. Zudem würde das Ansehen Österreichs im Kontext mit seinem Kulturerbe in den einschlägigen internationalen Gremien Schaden erleiden.

Standard: Welche Argumente sprechen für eine Verlegung?

Höhle: Ich kenne keine. Die Landesregierung argumentiert, dass die Erhaltung des Gemäldes nur im Kontext eines neuen Museums gesichert wäre. Dem muss man entgegenhalten, dass es keinerlei Szenarien für die Erhaltung an Ort und Stelle gibt. Das Gebäude gehört der Raiffeisen Landesbank Tirol und wurde auf deren Kosten Anfang der 80er Jahre restauriert. Mittlerweile hat es leider einen verwahrlosten Zustand erreicht. Aufgrund eines statischen Problems wurde der Zugang 2008 gesperrt. Dieses Problem ließe sich aber ohne großen Aufwand beheben. Und auch wenn das Panorama etwas an Attraktivität eingebüßt hat: 2007 zählte man über 50.000 Besucher. Manch Landesmuseum würde sich über eine solch hohe Besucherzahl freuen!

Standard: Wenn wir alles erhalten, können wir nie mehr etwas Neues bauen.

Höhle: Nur etwa zwei, drei Prozent der österreichischen Bausubstanz sind Denkmäler. Man kann also unglaublich viel abreißen und neu bauen. Aber ich gebe gern zu: Die Stadtzentren sind vielfach schon durch Denkmäler besetzt. Am Stephansplatz steht eben der Stephansdom.

Standard: Landeshauptmann Platter gab bekannt, dass Schmied ihm eine positive Erledigung zugesichert habe. Wenn er die Wahrheit spricht: Welcher Schluss ist daraus zu ziehen?

Höhle: Entweder hat Platter etwas missverstanden, oder ein Bescheid des Denkmalamts ist nichts wert.

Standard: Gäbe es für das BDA noch ein Rechtsmittel?

Höhle: Nein, die Entscheidung von Schmied ist letztgültig. Den Verwaltungsgerichthof kann - bei Verfahrensfehlern - nur der Antragsteller anrufen, nicht aber das Denkmalamt.

Standard: Die Zahl jener, die sich mit Unterschriftenlisten und Leserbriefen für den Erhalt des Rundgemäldes einsetzen, steigt permanent. Kann das Volk etwas ausrichten?

Höhle: Es kann den Volksanwalt anrufen. Dieser hat aber keine Parteistellung im Verfahren.

(Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 17.12.2008)