Thomas Bayrles partiell animierte Tapete. 

Foto: Arbeiterkammer Wien

Wien - Thomas Bayrles Werk kreist um die wiederholbare Form. Die Warenwelt gründet auf der Multiplikation und möglichst breit gestreuten Distribution von Behauptungen - im Idealfall führt das zur Ausbildung einer Marke, die dann rückwirkend ihre Konsumenten prägt, sie als Klasse, als Einheit ausweist. Das positioniert Serielle simuliert Geborgenheit, die "Marke" zeigt sich als Heimatersatz: Sie bietet Halt.

Thomas Bayrle (geb. 1937), ein gelernter Weber, hat diese Prinzipien der Warenwelt aufgenommen, sein Werk kreist in Grafiken, Installationen und Videoarbeiten um das Vereinnahmungspotenzial von Massenproduktion, um den Unterhaltungswert als Fundament der Kulturindustrie, um die Flucht in die Bequemlichkeit konformistischer Verhaltensweisen. Sind Bedürfnisse einmal fixiert, stellt deren je individuelle Einlösung dank Norm kein individuelles Risiko mehr dar. Die Marke enttäuscht nicht, der "Spontankauf" gestaltet sich entsprechend gefahrlos.

Das Angebot der Teilbarkeit des Privilegs rechtfertigt den Verlust an Individualität allemal, verhält sich doch das Neue stets störrisch ungewohnt, zeigt sich das Ungewöhnliche ja doch immer als Weg ins soziale Ausschlussverfahren. Bleibt also: Der gute Sitz der Uniform rechtfertigt den allgemeinen Niveauverlust allemal.

Aus der Distanz betrachtet ergibt Gesellschaft - egal welcher Konfession - immer ein Muster, einen in endlosen Bahnen webbaren Stoff: "Für mich gab es immer ein latentes Grundgefühl - so etwas wie das ,Ornament der Massen‘. Vielleicht geht so eine Vorstellung von den eigenen Zellen aus? Jedenfalls fing ich 1964 an, mir konstruktive Bilder von der manifestierten Mechanik hinter ,Massen‘ zu machen. Als ich die ersten Massendemonstrationen aus China sah, fühlte ich mich an Stoffmuster aus der Weberei erinnert. Ab 1964 habe ich Ornamente und Raster gewebeartig begriffen und organisiert. In meiner Vorstellung standen Bindungstechniken von Textilgeweben für minutiöse Stadtlandschaften und flache Modelle. Die Tatsache, dass ein Stück Stoff aus einer Unzahl von Über- und Unterschneidungen besteht, brachte mich in meiner Vorstellung auf Gesellschaftsmodelle, ja auf so etwas wie den Mikrokosmos als Staat. Den einzelnen Faden sah ich als Individuum. Den Stoff in seiner Gesamtheit sah ich als Kollektiv."

Als Tapete, zusammengesetzt aus Rauten, hat Thomas Bayrle seinen Blick auf den Platz - den Versammlungsort - im Foyer der Arbeiterkammer Wien affichiert - kontaktlos ziehen die Menschen aneinander vorbei, des jeweiligen Ziel scheint weit entfernt von dem des Nächsten.

Eine übergeordnete Organisation scheint Kollisionen zu verhindern, angesagt ist bloß Bewegung - Zielstrebigkeit, Karrierebewusstsein. Kontakte würden ja doch nur ein Innehalten nach sich ziehen - verschwendete Zeit am Weg zur vielversprechenden Erfüllung des Plansolls. Thomas Bayrle fügt dem punktuelle Anmerkungen hinzu, füllt ab und an per Videobeam eine leere Raute mit einem weiteren Individuum. Das dann - unbemerkt im Licht - endlos auf der Stelle tritt. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printasugabe, 17.12.2008)