Wien - Rund 3.000 Kunden des Finanzdienstleisters AWD fühlen sich beim Kauf von Immofinanz-Aktien durch den AWD falsch beraten. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat heute, Mittwoch, im Auftrag von Konsumentenschutzminister Rudolf Hundstorfer eine Verbandsklage und drei Musterprozesse eingebracht, nachdem Gespräche für eine außergerichtliche Lösung gescheitert sind. Anfang 2009 wird der VKI den Beschwerdeführern die Organisation von Sammelklagen anbieten.

Der VKI hat in den letzten Wochen - im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) - Beschwerden über die Vermittlung von Immofinanz-Aktien gesammelt. Bisher gingen rund 3.000 Beschwerden ein. Die - aus den geprüften Beschwerden hochgerechnete - behauptete Schadenssumme beträgt rund 30 Mio. Euro.

Eindimensionale Veranlagung

In den Beschwerden wird behauptet, dass AWD-Berater seit Ende der 90er Jahre Immofinanz-Aktien - unter Berufung auf entsprechende Gutachten - als "mündelsicheres Investment" angepriesen hätten. In vielen Fällen wurde das gesamte verfügbare Vermögen eindimensional in Immofinanz- oder jedenfalls in Immobilienaktien veranlagt.

In einer Reihe von Fällen wurden die Aktien offenbar als "Immobilienfonds" tituliert und das Wort "Aktie" bewusst vermieden. Von "Kapitalgarantien" sei die Rede gewesen und kein Wort von der Möglichkeit eines Totalverlustes. Als die Kurse zu sinken begannen haben die AWD-Berater offenbar - bis zum Schluss - geraten, die Aktien zu behalten, ja sogar vorgeschlagen, weitere zu kaufen.

"Systematische Mängel"

"Die Häufung der Beschwerdepunkte weist auf systematische Mängel in der Beratungsorganisation des AWD hin und lässt sich durch Beratungsfehler einzelner ,schwarzer Schafe nicht rechtfertigen," resümierte Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI. Schließlich sind von den Beschwerden rund 800 verschiedene AWD-Berater betroffen. "Aus Kontakten zu ehemaligen AWD-Beratern haben wir den Eindruck gewonnen, dass es nicht auszuschließen ist, dass hier Immobilienaktien - mit dem Argument der 'Sicherheit' - im großen Stil bewusst an konservative Sparbuchsparer herangetragen wurden. Die Verantwortung dafür liegt viel mehr beim AWD als Organisation, als bei den einzelnen Beratern."

Der VKI hat das Gespräch mit dem AWD den Angaben zufolge gesucht und zunächst zehn ausgesuchte Musterfälle vorgelegt. Der AWD hat unter Verweis auf Gesprächsprotokolle und Aussagen seiner Berater Schadenersatzforderungen abgelehnt und nur Einzelfällen - aus rein "sozialen Gründen" - eine teilweise Ersatzleistung angeboten. Auf dieser Basis lassen sich die offensichtlich systematischen Beratungsfehler nicht abhandeln.

Verbandsklage

Der VKI hat daher heute - im Auftrag des BMSK - beim Handelsgericht Wien gegen eine Reihe von gesetzwidrigen Klauseln in den Gesprächsprotokollen des AWD Verbandsklage eingebracht. "Ziel der Klage ist es dem AWD zu untersagen, gesetzwidrige Beweislastverschiebungen vorzunehmen bzw. sich darauf zu berufen", erklärte Kolba. Außerdem wurden in drei Fällen die ersten Musterklagen auf Schadenersatz eingebracht.

Das BMSK hat den VKI weiters beauftragt, für die Beschwerdeführer Sammelklagen zu organisieren. Es laufen bereits Gespräche mit Prozessfinanzierern, damit den Verbrauchern eine Teilnahme an Klagen ohne Prozesskostenrisiko (gegen Vereinbarung einer Erfolgsquote) angeboten werden kann. In den ersten Monaten des Jahres 2009 wird der VKI mit konkreten Angeboten an die Beschwerdeführer herantreten.

"Wir verstehen nicht, warum der AWD im Lichte der massiven Beschwerden keine generellen Schritte zum Schadenersatz gesetzt hat. Wir werden aber die Konsumenten dabei nach Kräften unterstützen, ihre Schadenersatzansprüche gerichtlich durchzusetzen und hoffen, dass der AWD doch noch einlenkt", fasste Josef Kubitschek, VKI-Geschäftsführer, die Situation zusammen.

Bedauern beim AWD

AWD bedauert eigenen Angaben zufolge den Abbruch der Gespräche. "Wir haben in den letzten Wochen klare Signale gegeben, dass wir zu individuellen Lösungen kommen wollen", teilte Kurt Rauscher, Geschäftsführer von AWD-Österreich, in einer Aussendung mit. Leider aber stehe offensichtlich eine mediale Dramatisierung im Mittelpunkt des VKI-Interesses und weniger eine rasche Lösung im Interesse der Kunden.

Dies sei, so Rauscher, umso bedauerlicher, als dass der AWD seinerseits das Gespräch mit dem VKI gesucht und zunächst zehn Fälle vonseiten des VKI zur Bearbeitung erhalten hatte. Nach eingehender Prüfung jedes Einzelfalls habe der AWD den Antragstellern individuelle Lösungsvorschläge gemacht und sie absprachegemäß vorab dem VKI übermittelt.

Kulanzlösungen

Dabei gab es zugesagte Kulanzzahlungen aufgrund von sozialen Härtefällen; gleichzeitig gab es jedoch auch Fälle, die kein Fehlverhalten vonseiten eines Beraters feststellen ließen. Im Gegenteil: So hatten Anleger - nachweislich ohne Rücksprache mit dem AWD-Berater - weitere Immobilienaktien hinzugekauft und Kursverluste nachträglich beim Unternehmen geltend gemacht.

Gerade deshalb sei es bedauerlich, dass der VKI sich weigert, weitere Fälle zur Einzelprüfung zu übermitteln. "Im Interesse der Kunden bieten wir daher allen, die sich bisher an den VKI gewandt haben, an, ihre Unterlagen direkt an AWD zur eingehenden Prüfung zu schicken", so Rauscher. (APA)