Straßburg - Das EU-Parlament hat grünes Licht gegeben für ein Milliarden-Programm im Kampf gegen die gefährliche Erderwärmung. Mit überwältigender Mehrheit verabschiedeten die Abgeordneten am Mittwoch in Straßburg das EU- Klima- und Energiepaket, auf das sich die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder in der vergangenen Woche in Brüssel nach harten Verhandlungen geeinigt hatten. Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace kritisierten das Gesetzesbündel neuerlich als ungenügend.

Die EU will bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid um 20 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Gleichzeitig soll der Anteil von Öko-Energieträgern wie Sonne und Wind am Verbrauch bis 2020 auf durchschnittlich 20 Prozent steigen. Zur Zeit liegt dieser Anteil EU-weit bei 6,4 Prozent. Österreich muss ein Ziel von 34 Prozent erneuerbaren Energieträgern bis 2020 erreichen. Die Wirtschaft soll mit dem Handel mit Verschmutzungsrechten ("Emissionshandel") auf den umweltfreundlichen Weg gebracht werden und die Osteuropäer bekommen Unterstützung bei der Erneuerung ihrer veralteten und besonders umweltschädlichen Kraftwerke.

Herzstück des Systems ist der Handel mit Verschmutzungsrechten. Grundsätzlich soll die Industrie für diese Rechte bezahlen: 2013 sollen 20 Prozent der Zertifikate versteigert werden, 2020 dann 70 Prozent und 2025 schließlich 100 Prozent. Ausnahmen sind für Branchen vorgesehen, denen der Emissionshandel wegen hohen Energieverbrauchs Mehrkosten von mindestens fünf Prozent bescheren würde. Unternehmen dieser Industriezweige bekommen die Emissionsrechte bis zu einer bestimmten Grenze kostenlos. Dadurch besteht für die Industrie ständiger Druck, sauberer zu produzieren.

Kritik

Parlamentarier aller Fraktionen begrüßten das Ergebnis. Die Grünen, die gegen die Emissionsnormen für neue Personenwagen gestimmt hatten, äußerten sich allerdings kritisch. Als "unzureichend" bemängelte die grüne Europaabgeordnete Eva Lichtenberger den Gesamtkompromiss. Sie hoffe, dass Europa vor der internationalen Klimakonferenz in Kopenhagen zu seinen Ambitionen zurückfinde, sagte Lichtenberger. Nachdem Europa jenseits des Atlantiks "einen vernünftigen Partner" habe, "wäre es ein völlig schlechtes Signal, sich zurückhängen zu lassen". Auch die österreichische Bundesregierung müsse sich für mehr Investitionsanreize in Umwelttechnologien einsetzen. Scharf kritisierte Lichtenberger den vom EU-Parlament gebilligten Kompromiss zu CO2-Grenzwerten für Neuwägen: Dies sei "auch wirtschaftlich ein völlig falsches Signal". Durch kurzfristige Rücksichtnahme auf "Dinosaurier" in der Automobilindustrie drohe auch dieser Branche langfristiger Schaden.

Der grüne Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit kritisierte indessen die rasche Verabschiedung des Pakets in nur einer Lesung als "Erpressung". Die Umweltstiftung WWF (Worldwide Fund for Nature) kritisierte das Paket prinzipiell als nicht ausreichend.

--> Die wichtigsten Punkte

CO2-GRENZWERTE FÜR AUTOS: Der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) soll von derzeit knapp 160 Gramm je Kilometer von 2012 bis 2015 auf 120 Gramm im Flottendurchschnitt sinken. Ein Rückgang auf 137 Gramm muss durch Motorentechnik erreicht werden, die übrigen 17 Gramm mit umweltfreundlichen Extras bei Reifen, Klimatechnik oder mit Biosprit. Bis 2020 werden die Autoproduzenten zu einer weiteren Reduktion des CO2-Ausstoßes auf 95 Gramm je Kilometer verpflichtet.

Hersteller größerer Autos wie BMW und Mercedes müssen die Abgase stärker herunterfahren als Kleinwagenproduzenten wie Fiat und Renault. Im Startjahr 2012 müssen 65 Prozent der Flotte die Norm erfüllen. Über Stufen von 75 und 80 Prozent steigt der Anteil bis 2015 auf 100 Prozent.

Bei Überschreiten der Grenzwerte sind Strafen fällig: Von 2012 bis 2018 sind für das erste Gramm fünf Euro je produziertem Auto fällig. Das zweite Gramm kostet 15 Euro, das dritte Gramm 25 Euro Strafe. Bis zu einer Überschreitung des Grenzwertes um drei Gramm summiert sich die Strafe damit auf 45 Euro. Ab vier Gramm Grenzwertüberschreitung droht eine empfindliche Strafe von 95 Euro. Ab 2018 gilt die hohe Strafe ab dem ersten Gramm.

EMISSIONSHANDEL: In den seit 2005 bestehenden EU-weiten Handel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten werden alle Industrieunternehmen und Energiekonzerne einbezogen. Die Gesamtzahl der verteilten Verschmutzungsrechte wird bis 2020 um 21 Prozent reduziert. Ein Unternehmen darf nur so viel CO2 ausstoßen, wie es über Zertifikate verfügt. Eine Erstausstattung an Zertifikaten wird 2013 den Firmen kostenlos zugeteilt, die zu den zehn Prozent effizientesten Betrieben gehören und im Wettbewerb mit Konkurrenten in Ländern ohne Umweltauflagen stehen. Die übrigen Betriebe bekommen zunächst 80 Prozent der Zertifikate kostenlos, ab 2027 müssen sie diese erwerben.

Kraftwerke dagegen müssen künftig in Westeuropa die Zertifikate in Auktionen komplett ersteigern. Osteuropa beginnt 2013 mit einer Versteigerungsquote von 30 Prozent, die bis 2020 auf 100 Prozent steigt. Neue Kohlekraftwerke dürfen in Ost und West mit bis zu 15 Prozent der Investitionssumme vom Staat gefördert werden. Die Erlöse aus dem Emissionshandel fließen den Mitgliedstaaten zu.

SOLIDARITÄT MIT OSTEUROPA: Um die ärmeren osteuropäischen EU-Staaten beim Umbau ihrer Wirtschaft zu unterstützen, erhalten sie rund zwölf Prozent der Versteigerungserlöse.

CO2-ENTSORGUNG: Die EU will Pilotanlagen zur Abscheidung und Lagerung von CO2 bei der Stromproduktion in Kohlekraftwerken sowie innovative Projekte bei Öko-Energie fördern. Zur Finanzierung sollen C02-Zertifikate im derzeitigen Wert von über sechs Milliarden Euro eingesetzt werden.

CDM: Über den "Clean Development Mechanism" (CDM) können Konzerne in Entwicklungsländern etwa Kraftwerke modernisieren oder Umwelttechniken fördern und sich dafür Verschmutzungsrechte gutschreiben lassen.
(APA/dpa)