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Martin Schmitt hat schon viel gesehen. Derzeit sieht der 30-jährige Deutsche wieder besseren Zeiten entgegen.

Photo by Patrik Stollarz/Bongarts/Getty Images

Wien - "Spätestens beim Weltcup in Pragelato sollten wir dabei sein." Werner Schuster, immer schon Österreicher und seit Sommer Cheftrainer der deutschen Skispringer, sagte das unmittelbar vor dem Weltcup-Auftakt im finnischen Kuusamo. Der 39-Jährige hat sich vor bald vier Wochen geirrt. Und auch wieder nicht.

Tatsächlich ließ die deutsche Skispringerei schon in Lappland aufhorchen - mit Rang drei in der Mannschaftskonkurrenz. Weil die aber witterungsbedingt nur in einem Durchgang entschieden worden war und die Deutschen anschließend in den beiden Einzelkonkurrenzen von Trondheim wohl "ansprechendes Niveau" (Schuster), aber keine Top-Ten-Plätze erreichten, hat es tatsächlich bis zum vergangenen Wochenende, bis Pragelato, gedauert, ehe einer so richtig dabei war. Martin Schmitt segelte im ersten Bewerb auf Rang vier. "Ich habe auch nicht gedacht, dass ich hier schon aufs Podest springe", sagte der 30-Jährige in freudiger Verwirrung, die mit Blick auf seine Erfolgsliste fast rührend wirkte.

Der Mann war schließlich viermal Weltmeister, mit der Mannschaft Olympiasieger und zweimal Gesamtsieger des Weltcups. Andererseits liegt der letzte seiner 28 Weltcupsiege schon mehr als sechs Jahre zurück. Etwas schmäler, immerhin aber auch fünf Saisonen breit, war das Jammertal, das die deutsche Skispringerei insgesamt zu durchmessen hatte.

Darin zurückgeblieben ist Sven Hannawald, der 2001/02 als bisher einziger Skispringer alle vier Konkurrenzen der Vierschanzentournee gewinnen konnte. 2004 schied das Teenie-Idol wegen eines Burn-out-Syndroms aus dem Zirkus aus. Schmitt, der die Fans in seinen besten Zeiten nicht weniger zum Kreischen gebracht hatte, blieb dabei, arbeitete an immer neuen technischen Problemen und ertrug tapfer selbst Mitleid.

Jetzt, unter Schuster, dem Nachfolger von Coach Peter Rohwein, dessen Beliebtheitswerte nur von der Anzahl deutscher Skisprung-Erfolge unter seiner Regie unterboten wurden, dient der Schwarzwälder als Leithammel. Denn an Potenzial mangelt es den Deutschen trotz der langen Durststrecke nicht. Im Februar, bei der Junioren-WM in Zakopane, gewannen sie als Mannschaft und durch Andreas Wank im Einzel Gold.

Was noch in den Alten wie Schmitt schlummert, soll Schuster in einem ersten Schritt herauskitzeln. Der Kleinwalsertaler, der einst in Stams Gregor Schlierenzauer den Weg wies, hat sich in kürzester Zeit etabliert. "Er erinnert mich mit seinem konzeptionellen Denken an Reinhard Heß", sagte Thomas Pfüller, der Sportdirektor des deutschen Skiverbandes. Wie Heß, der am Heiligen Abend 2007 verstorbene Cheftrainer der Boygroup um Schmitt und Hannawald, hat sich Schuster zunächst Vertraute gesucht.

Stefan Horngacher, Stützpunktleiter in Hinterzarten und Schmitts Trainer, gehört als Betreuer des B-Kaders dazu. Diese Position erbte der Tiroler von Heinz Kuttin, der keinen DSV-Vertrag mehr erhielt und jetzt wieder mit dem Kärntner Nachwuchs übt. Da ging es dem zweimaligen Weltmeister sogar noch schlechter als Ex-Cheftrainer Rohwein, den er so gerne selbst beerbt hätte. Der darf sich um Springer des deutschen C- und D-Kaders bemühen.

Daran, dass diese Veränderung nicht zuletzt auf seinen Wunsch hin erfolgte, ließ Schuster in seiner freundlichen Art keinen Zweifel. "Ich stehe nicht für Hokuspokus, sondern für fundierte Arbeit", sagt er. Die soll zumindest bis zur nordischen WM 2011 in Oslo währen. Wird sie aber nur, wenn die deutschen Skispringer richtig dabei sind. Zum Beispiel am Wochenende daheim in Engelberg und dann bei der Tournee. (Sigi Lützow, DER STANDARD Printausgabe 18.12.2009)