Juden sind für sie Landesverräter, Roma Kriminelle und Schwule das Produkt einer moralisch degenerierten Gesellschaft. Die Ungarische Garde hält die Öffentlichkeit mit ihren Aufmärschen und Ansprachen seit mehr als einem Jahr in Atem. Erstmals hat ihr der Staat nun etwas entgegengesetzt: Ein Budapester Gericht hat den Verein, der die Garde betreibt, verboten.

Das ist ein Sieg für die angefeindeten Gruppen. Der Rechtsstaat steht auf ihrer Seite, lautet die Botschaft. Das Grundproblem wird aber kein Politiker und schon gar kein Gericht so rasch lösen können. Das Kernthema der Garde ist die Roma-Feindlichkeit. Bis zu 800.000 Roma leben in Ungarn. Damit lässt sich Politik machen. Die Garde wurde stark, weil sie es geschafft hat, soziale Probleme zu ethnisieren.

In den Elendssiedlungen der Roma gibt es überdurchschnittlich viele Alkoholiker, viel Verwahrlosung, es wird gestohlen. Manche Vorurteile stimmen. Das hat aber soziale, keine ethnischen Ursachen. In Ungarn wird dank der Garde aber nun über "Zigeuner-Verbrechen" gesprochen, wenn es eigentlich um Kriminalität geht. Wo verelendete Menschen soziale Spielregeln verlernt haben, ortet man die Faulheit einer ganzen Volksgruppe. Die Rechte hat die Themenhoheit über ein ganzes Politikfeld erobert.

Medien, Politiker, Bürger, sie alle haben dem zu wenig entgegengesetzt. Das Geschimpfe auf die Spitzenpolitik allein, die sich natürlich vom rechten Rand zu wenig distanziert hat, wird nicht viel nutzen. Wer dem Phänomen beikommen will, muss die Themen selbst setzen und die Diskurse erobern. Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit, Anfeindung: Das sind die Probleme der Roma. Wie lässt sich mehr soziale Gerechtigkeit schaffen? Was müssen die Roma selbst tun? Warum funktioniert die Integration der Gruppe - übrigens in ganz Osteuropa - so mies? Ziel der liberalen Kräfte muss es sein, dass sich die Öffentlichkeit mit diesen Fragen auseinandersetzt. Das ist schwer und komplex. Aber solange es nicht geschieht, wird kein Gericht die Garde und das, wofür sie steht, schwächen können. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.12.2008)