Andreas Schüller dirigiert "Die lustigen Nibelungen".

Foto: Volksoper/Dimov

Wien - "Endlich! Die Reform der Operette!" Als am 12. November 1904 Die lustigen Nibelungen von Oscar Straus am Wiener Carltheater uraufgeführt wurden, war die Kritik begeistert. Fünf Jahre nach dem Tod von Johann Strauß - und dem Ende der "Goldenen Operettenära" - bekam diese Kunstform neuen Schwung.

"Oscar Straus wollte an die politisch-satirische, gesellschaftskritische Operette Offenbachs anknüpfen und die bewährte Form wieder etablieren. Er verwendet viel mehr durchkomponierte Nummern, als Johann Strauß das tut", ordnet Andreas Schüller das Werk ein. Um den Lustigen Nibelungen die pointierten Worte in den Mund zu legen, tat sich Straus mit dem Satiriker Rideamus - Pseudonym des Juristen Fritz Olivén - zusammen, den er im Berliner Kabarett "Überbrettl" kennengelernt hatte.

Mit spitzer Feder bekamen die altgermanischen Helden die Konturen der wilhelminischen Gesellschaft: Siegfried hat sein Rheingold bei der Rheinbank gewinnbringend veranlagt. Aber die Bank geht pleite, die Aktien sind über Nacht wertlos. Was heute manchem Aktionär schlaflose Nächte bereitet, rettet Siegfried das Leben. Denn die Burgunder wollten in erster Linie an sein Geld. Notfalls durch Mord. Der lohnt sich aber nicht mehr, da nichts mehr zu holen ist. Am Ende "teilen" sich Kriemhild und Brünhild ihren Siegfried.

Beleidigte Grazer

Satire und Humor enthalten immer auch Zündstoff. 1908 zettelten deutsch-nationale Kreise in Graz einen Tumult an gegen die "Verhöhnung unserer Nibelungensage, des gewaltigsten Werks der Weltliteratur überhaupt". Am Berliner Theater des Westens aber lachte das Publikum. Nicht nur über die Persiflage auf den feierlichen Stabreim, auch die musikalischen Anspielungen, etwa das Hornsignal Wilhelm II., wusste es zu schätzen.

"Straus war ein Eklektiker", erklärt Schüller. "Was die deutsche Romantik hervorgebracht hat, setzt er ein. Er geht harmonisch natürlich nicht so weit wie Wagner, Debussy oder Ravel. Straus zitiert Wagner nie, aber er verwendet Anklänge." Der Nibelungenwalzer ist dafür sogar ein optisches Beispiel. "In der Mitte der Phrase ist in einer Kette von Terzen das Rheingold-Motiv versteckt. Akustisch muss man sehr genau hinhören, aber im Notenbild sticht es deutlich hervor", sagt Schüller, der die Qualität der Musik schätzt. "Das ist keine schlampig gearbeitete Theatermusik. Straus führt den Zuhörer auf eine bestimmte Fährte - im Liebesduett glaubt man eine Minute lang, man wäre in den Meistersingern - und nimmt dann eine ganz andere Richtung."

Politische Aktualität zu vermitteln, hält Andreas Schüller für weitaus schwieriger. "Wir leben nicht im Berlin von 1903, wir sind über die Gepflogenheiten des preußischen Militärs nicht im Bilde. Manche Anspielung ist vielleicht nur bedingt verständlich."

Die Inszenierung hat Volksoperndirektor Robert Meyer übernommen. Schüller gewährt einen kleinen Einblick: "Wir befinden uns am Hof von Burgund, die Kostüme sind sehr teutonisch, wilhelminisch gehalten. Die bayerische Brünhilde hat Anpassungsschwierigkeiten." Titzel und Tatzel, die beiden Möpse, werden sich an ihr Drachenkostüm inzwischen schon gewöhnt und als "Drachennachwuchs" die Lacher garantiert auf ihrer Seite haben. "Das Stück ist von A bis Z komisch. Alles ist Parodie - auf die Oper, auf die Formen des Genres, die so ernst genommen werden. Es geht darum, sich in ernstem Sinn lustig zu machen." (Petra Haiderer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.12.2008)