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Mit dem Begriff Weltmusik braucht man dem Mann nicht kommen. Diese alles und nichts bedeutende Umarmung von Volksmusik aus aller Herren Länder, die immer irgendjemand als exotisch empfinden wird, negiert in ihrer unspezifischen Aussagelosigkeit alle Identitäten. Jene des Ursprungs einer Kunst ebenso wie jene der Künstler selbst. Cheick Tidiane Amadou Seck - kurz CATS gerufen - stammt aus Mali und hat eine politisch bewegte Vergangenheit, die ihm Jahre des Exils an der Elfenbeinküste ebenso bescherte wie Gefängnisaufenthalte.

Heute pendelt er zwischen Frankreich und Mali. Zu den großen Namen afrikanischer Populärmusik zählt er dennoch nicht, und die Gelassenheit, die sein eben erschienenes Album Sabaly verströmt, lässt nicht darauf schließen, dass ihm Prominenz und Popularität oberste Anliegen wären. Dazu ist er vielleicht zu unspezifisch. Cheick Tidiane Seck ist wie im richtigen Leben auch als Künstler ein Grenzenüberwinder. Und zumindest musikalisch wirkt er dabei so leichtfüßig, dass es beim Hören buchstäblich zu kribbeln beginnt.

1995 veröffentlichte Seck mit Größen aus Mali das vielbeachtete Album Sarala mit dem US-amerikanischen Jazzpianisten Hank Jones auf Verve Records. 2003 erschien MadinGroove, sein Solodebüt, das noch etwas Fusionjazz-Mief verströmte, was eventuell früheren Kollaborationen mit unter anderem Joe Zawinul geschuldet war. Das bis in die Beliebigkeit Ausufernde verbietet er sich auf Sabaly jedoch. In all seiner Vielfalt bleibt es stringent.

Der Multiinstrumentalist, der einst im Dienste legendärer Formationen wie den Ambassadeurs oder der Super Rail Band stand, verdichtet seine Stücke, ohne ihnen das Verspielte zu nehmen. Das erinnert oftmals an die Arbeitsweise des kubanischen Buena Vista Social Club. Immer wieder bricht dabei Secks Vergangenheit als Soul- und Funk-Musiker durch. Die frühen 70er-Jahre verbrachte er hauptsächlich in Bands, die US-amerikanischen Funk spielten - und mehr oder weniger stark afrikanisierten. Die hier immer wieder auftauchende Hammond-B3-Orgel, ein Lieblingsinstrument Secks, belegt diese Vorliebe. Etwa in Nebe N'Makoum, in dem die Stromstöße aus der Hammond die virilen Percussions und die feingliedrig gespielte Akustikgitarre auf den Boden holen.

Leichtigkeit und Schwere

Das ist gleichzeitig eines der bestimmenden Merkmale in Secks Kunst: das Wechselspiel aus Leichtigkeit und Schwere. Dafür dienen ihm Stilmittel wie ein zwischen Ragga und Rap angesiedelter Gesang, ein subtil angefunktes Gitarrenspiel sowie Rhythmen, die belegen, dass der Breakbeat tendenziell auch eher aus Afrika stammen dürfte. Ursprünglich. Dazu singt Seck mit seiner manchmal zart brechenden Stimme, jubiliert oder übt sich in einem einfühlsamen Erzählton. Dann und wann hebt ein Horn an - ohne größere Aufregung. Seck singt vom Reisen, Feiern, von Toleranz oder malischen Helden. In Bisso erhebt schließlich noch Dee Dee Bridgewater ihre Stimme. Es ist der Popsong des Albums, das Stück, das am meisten nach westlicher Welt klingt. Kann man mögen, muss man aber nicht. Sabaly wäre auch ohne das Zutun der Sängerin ein Meisterwerk geworden. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.12.2008)