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Die Wirtin Sylvia Thimm ist die Heldin der kleinen Kneipen-Wirte in Deutschland.

Foto: AP/Miguel Villagran

Berlin - Für Sylvia Thimm wird dieser Jahreswechsel wesentlich entspannter als ein Jahr zuvor. Damals sah die Berliner Kneipenwirtin unsicheren Zeiten entgegen. Rauchverbot in Einraumkneipen - diese Bestimmung hatte der Berliner Senat (wie andere Landesregierungen auch) erlassen. Thimm fühlte sich in ihrer Existenz bedroht. Denn ihre 36 Quadratmeter kleine Musikkneipe "Doors" lebt von Musik, Alkohol und Zigaretten.

"Meine Gäste wollen keine Cocktails oder linksdrehende, aufgeschäumte Yogi-Tees. Die wollen Bier, Wodka oder Whisky und dazu eine Zigarette", beschreibt sie die Philosophie ihres Lokals im Szenebezirk Prenzlauer Berg. Tausende Kneipiers in Deutschland dachten wie sie und bangten um ihre Einnahmen. Thimm aber beschloss zu kämpfen. Sie nahm einen Anwalt, zog vor das Bundesverfassungsgericht und verließ selbiges am 30. Juli 2008 als neue Heldin der deutschen Raucherbewegung.

In einem mit Spannung erwarteten, live in unzähligen Kneipen übertragenen Urteil gaben die Höchstrichter der Berlinerin und zwei weiteren Klägern Recht. Ein absolutes Rauchverbot belaste die Kleingastronomie besonders und sei daher eine Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit. Den Ländern gaben die Richter eine Hausaufgabe mit auf den Weg: Bis Ende 2009 müssen sie ihre Gesetze reparieren. Und bis dahin darf man in deutschen Kneipen munter qualmen, wenn diese nicht größer als 75 Quadratmeter sind, kein selbst zubereitetes Essen anbieten und Jugendlichen unter 18 Jahren den Zutritt verwehren. Außerdem muss das Lokal von außen als "Raucherlokal" gekennzeichnet sein.

Kurz wurde daraufhin in Deutschland ein bundeseinheitliches Rauchverbot erwogen. Doch nun zeichnet sich ab, dass es wieder ein "Flickerlteppich" werden wird. Alle Länder basteln an ihren eigenen Gesetzen. Und diese könnten am Ende viel schärfer aussehen als das erste, vom Höchstgericht beanstandete Rauchverbot.

Die Verfassungsrichter ließen nämlich durchblicken, dass man durchaus ein absolutes Rauchverbot in allen Gaststätten Deutschlands einführen könnte. Das müsse dann aber für alle Lokale gelten, egal ob sie einen oder mehrere Räume haben. Die meisten Wirte hoffen natürlich, dass es dazu nicht kommt.

Seit es in Deutschland Rauchverbote gibt, gehen die Deutschen ohnehin seltener aus - sowohl Raucher als auch Nichtraucher, wie die deutsche Gesellschaft für Konsumforschung in einer Studie zeigt. Besonders stark ist der Rückgang in jenen Lokalen, in denen nun nicht mehr geraucht werden darf. 53 Prozent der Raucher gaben an, diese seltener zu besuchen. (Birgit Baumann, DER STANDARD - Printausgabe, 19. Dezember 2008)