Zur Volksabstimmung:"Die FPÖ verwendet solche Fragen um Europa zu vernichten. Die SPÖ will ein Instrument verwenden, um die Bevölkerung hinter der EU stärker zu mobilisieren."

Foto: CORN

"Wenn jemand skeptisch ist und ich sag ihm: 'Du, die EU is so klass', dann ändert das nichts. Wichtig ist es, die Dinge zu sagen, die gut sind aber auch über diejenigen zu sprechen, die schief laufen."

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"Wenn man sieht, wie extrem unbeliebt die EU in Österreich ist, muss eine Partei reagieren", sagt SPÖ-Abgeordneter Hannes Swoboda im Interview mit derStandard.at. Außerdem spricht er darüber, wie er die Österreicher für das Projekt EU begeistern möchte und warum er den Abgang Plassniks als Außenministerin begrüßt hat. Die Fragen stellte Saskia Jungnikl.

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derStandard.at: Als die SPÖ im Juni 2008 beschloss, ihren EU-Kurs mittels Brief an die Kronen Zeitung zu ändern, gab es da Reaktionen anderer EU-Abgeordneter?  

Hannes Swoboda: Die Frage, die mir hauptsächlich gestellt wurde, war: betrifft das auch den Vertrag von Lissabon? Das war nicht der Fall. Das zweite war: Ist daraus generell ein anti-europäischer Kurs abzuleiten? Auch dafür gab es keine Anzeichen. Heute ist das unter den Abgeordneten kein Thema mehr.

derStandard.at: Bei Ihnen waren wir uns nicht sicher, was Ihre Einstellung zu diesem Thema angeht: Sie waren zunächst gegen eine nationale Volksabstimmung, haben dann aber den Weg Alfred Gusenbauers und Werner Faymanns unterstützt und verteidigt.

Swoboda: Erstens stehe ich nationalen Befragungen skeptisch gegenüber, wenn die Menschen nicht gleich von Beginn an in das Verfahren involviert werden. Am Ende eines Prozesses macht das keinen Sinn. Da wird der Gegner des Verfahrens automatisch gewinnen. Zweitens: In Zukunft wird es solche Vertragsänderungen so nicht geben. In Zukunft entscheidet jedes Land für sich, ob es an der nächsten Integrationsstufe teilnehmen will oder nicht. Warum sollen die Iren verhindern, wenn die Österreicher teilnehmen wollen? Aber ich sehe ein, dass bei der Skepsis, die in Österreich gegenüber der EU herrscht, ein Signal nötig war.

derStandard.at: Wenn Sie eh nicht glauben, dass es zu einer Abstimmung kommen wird, war es also rein populistisch?

Swoboda: Ist es populistisch, wenn man sagt: wir wollen mit euch darüber reden? Ich will das populistische Element nicht leugnen, aber es ist zu einfach, es nur als solches abzutun. Wenn man sieht, wie extrem unbeliebt die EU in Österreich ist, muss eine Partei reagieren.

derStandard.at: Aber ist da eine Abstimmung der logische erste Schritt?

Swoboda: Da gebe ich Ihnen recht. Es wäre besser gewesen, vor drei Jahren mit einer ernsthaften Auseinandersetzung der negativen Tendenz gegenzusteuern. Aber vor den Wahlen war es dann eine Notbremse. Es ist ein Signal an die Bevölkerung. Und auf der anderen Seite eine Chimäre. Es wird nach diesem Modell in den kommenden Jahren keine Abstimmung nötig sein.

derStandard.at: Der ehemalige Finanzminister Ferdinand Lacina hat gesagt: "Nationale Volksabstimmungen führen dazu, dass nationale Dinge im Vordergrund stehen". Eine Sache, die sich die SPÖ nun mit der FPÖ teilt?

Swoboda: Die FPÖ verwendet solche Fragen, um Europa zu vernichten. Die SPÖ will ein Instrument verwenden, um die Bevölkerung hinter der EU stärker zu mobilisieren.

derStandard.at: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache will nach dem zweiten Irland-Votum eine Volksabstimmung und nennt das eine "Nagelprobe für die SPÖ".

Swoboda: Am Vertrag von Lissabon wurden keine Änderungen vorgenommmen und deshalb besteht kein Grund für eine Volksabstimmung. Parallel zum Ratifizierungsprozess des bestehenden Vetrages wurden in Richtung Irland Zusicherungen gemacht.

derStandard.at: Sie waren dagegen, dass der Wunsch nach einer Volksabstimmung über künftige EU-Verträge im Koalitionsprogramm mit der ÖVP steht.

Swoboda: Ja, weil dadurch vorgetäuscht wird, dass in den kommenden Jahren etwas abzustimmen wäre. Und das ist nicht der Fall. Daher ist die Frage, was kann man sonst machen, um die Leute zu motivieren.

derStandard.at: Die nun ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik ist zurückgetreten, weil sie mit der schwammigen Formulierung, die im Vertrag steht, nicht leben konnte. Verstehen Sie das?

Swoboda: Ja und Nein. Ministerin Plassnik hat Österreich nach außen sicher gut vertreten. Aber sie hat die inneren mit den europäischen Angelegenheiten nicht gut vernetzt. Politik ist immer eine Frage der Kompromisse. Sie hat den Kontakt zu der Bevölkerung verloren. Diese Gefahr besteht aber immer: je weiter und je öfter man weg ist, desto schwieriger ist es, den Kontakt zu halten.

derStandard.at: Was tun Sie dagegen?

Swoboda: Ich halte viele Referate bei einfachen Leuten, ich gehe in Beisl und Lokale. Es ist wie eine Übersetzungsarbeit, die Beamtensprache aus Brüssel aufs Normalverständnis umzulegen. Man erwischt zwar immer nur eine begrenzte Gruppe, aber man wird dazu gezwungen, die Dinge so darzustellen, dass sie für jeden verständlich werden.

derStandard.at: Was sind die häufigsten Fragen, die Menschen an Sie richten?

Swoboda: Das geht von dem möglichen Beitritt der Türkei bis zum "sozialen Europa". Die Erweiterung interessiert am meisten.

derStandard.at: Sie haben den Abgang Plassniks begrüßt, mit der Begründung, nun wäre "statt Jubelbroschüren auch eine kritische Auseinandersetzung mit der EU-Politik" möglich." Ist es nicht gut eine euphorische Ministerin zu haben, die der kritischen Stimmung im Land gegenüber steht?

Swoboda: Nein. Das bringt nichts. Wenn jemand skeptisch ist und ich sag ihm: 'Du, die EU is so klass', dann ändert das nichts. Wichtig ist es, die Dinge zu sagen die gut sind, aber auch über diejenigen zu sprechen, die schief laufen. Ansonsten finde ich die Diskussion Pro oder Contra EU sowieso unproduktiv: Die EU gibt es und selbst wenn wir austreten, würde es sie weiter geben.

derStandard.at: Was wäre also Ihr Plan, um die Österreicher mehr für die EU zu begeistern?

Swoboda: Indem man jedes einzelne Thema, das behandelt wird, immer sowohl national als auch europäisch behandelt. Zum Beispiel: Klimapolitik. Es gibt keinen Kontinent, der so vehement Klimapolitik betreibt, wie der Europäische. Dieses Thema sollte gemeinsam mit dem österreichischen Klimaschutz behandelt werden. Bei uns wird immer alles völlig getrennt gesehen. Was Österreich macht, ist toll und was die EU macht, nicht. Man könnte die Wirtschaftskrise auch dafür nutzen, zu vermitteln, wie sehr die EU da hilft. Nicht, weil es dadurch keine Probleme gibt, aber die Probleme sind geringer.

derStandard.at: Wie schwierig ist es als EU-Abgeordneter für die EU zu kämpfen, wenn mit der "Krone" die größte Tageszeitung des Landes gegen dieses Projekt auftritt?

Swoboda: Extrem schwierig. Es ist aber ja nicht nur in Österreich so: in Großbritannien ist die Mehrzahl der Medien antieuropäisch eingestellt. Das Problem ist, dass viele Menschen von Medien permanent mit Halbwahrheiten gefüttert werden.

derStandard.at: Die SPÖ hat keinen einzigen Minister mit langjähriger EU-Erfahrung. Was sagt das über die österreichische Europa-Politik aus?

Swoboda: Vorher gab es mit Maria Berger auch nur eine, die langjährige EU-Erfahrung hatte. Aber ich finde, dass der Wechsel der Politiker zwischen europäischer und nationaler Ebene zu schwach ausgeprägt ist. In Ländern wie Spanien oder Italien ist das viel stärker. Man sollte sich explizit bemühen, diesen Wechsel viel öfter zu machen, um den europäischen Gedanken vermehrt nach Österreich zu holen. Da wäre einiges an Transparenz und Offenheit zu lernen.

derStandard.at: Gehen Sie davon aus, dass Sie der SPÖ-Spitzenkandidat bei den kommenden EU-Wahlen seien werden?

Swoboda: Nein. Ich weiß nicht einmal ob ich kandidieren werde. Ich würde gerne, aber das muss die Partei entscheiden.

derStandard.at: Sehen Sie einen Unterschied zwischen der Regierung Gusenbauers und der Faymanns in Bezug auf die Handhabung der EU?

Swoboda: Jede Regierung muss Europa zur Kenntnis nehmen, sonst scheitert sie. Ich gehe davon aus, dass durch die aktuelle Regierung Faymanns Europa nicht vernachlässigt wird. Wie viel man daraus macht, weiß ich nicht. Aber ein stärkerer Austausch zwischen den EU-Abgeordneten und denen im österreichischen Parlament wäre in jedem Fall wünschenswert.

derStandard.at: Wird Alfred Gusenbauer EU-Kommissar?

Swoboda: Er hätte das Zeug dazu. Aber realistisch gesehen ist das eine Position, die in einem Paket ausgehandelt wird. Und ob das der SPÖ zufällt oder nicht ist fraglich. (saju, derStandard.at, 19.12.2008)