Zagreb - Nach dem slowenischen Veto gegen die kroatischen EU-Beitrittsverhandlungen tut sich die Politik in Zagreb schwer, den von ihr selbst mitentfesselten Zorn im Zaum zu halten. Ministerpräsident Ivo Sanader warnte seine Landsleute vor überzogenen Reaktionen auf den slowenischen Schritt. "Jeder Aufruf zum Boykott slowenischer Waren ist inakzeptabel", sagte der Regierungschef laut kroatischen Medienberichten vom Freitag. Dagegen forderte der angesehene Wirtschaftsprofessor Djuro Njavro sogar die Einführung von Zöllen für das Nachbarland.

Neben Sanader sprach sich auch der sozialdemokratische Oppositionsführer Zoran Milanovic gegen einen Boykott Sloweniens aus. "Das ist nicht die Art, wie sich zivilisierte Staaten verhalten", sagte er auf Journalistenfragen. Die kroatische Politik hatte das slowenische Veto am Donnerstag einhellig verurteilt. Sanader äußerte sich besonders scharf, indem er Ljubljana "Erpressung" und die Verletzung europäischer Grundprinzipien vorwarf. Staatspräsident Stjepan Mesic sagte, der slowenische Schritt werde auch Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen mit Slowenien haben, was von Beobachtern als wenig verhüllte Boykottdrohung gewertet wurde.

Boykottaufrufe

Wie Zagreber Medien berichten, begannen schon wenige Stunden nach Bekanntwerden des slowenischen Vetos am Mittwoch Boykottaufrufe im Internet zu kursieren. "Neun Prozent der slowenischen Exporte entfallen auf Kroatien, das somit zu den fünf wichtigsten Ausfuhrländern Sloweniens zählt. Wenn wir den slowenischen Export wenigstens ein bisschen verringern, können wir Slowenien in seiner Gesamtheit treffen", heißt es in einem der Aufrufe.

Tatsächlich hat Slowenien dank seiner starken Unternehmen wie Gorenje, Krka oder den Baukonzern Merkur einen hohen Außenhandelsüberschuss mit dem Nachbarland. Besonders betroffen von der Krise in den bilateralen Beziehungen dürfte auch der Handelskonzern Mercator sein, der eines der größten Einkaufszentren in Zagreb betreibt. Der Ökonom Njavro fordert daher, das mit der EU vereinbarte Freihandelsregime für Slowenien auszusetzen. "Damit wird Slowenien der Preis für seine politischen Handlungen aufgezeigt", argumentierte der Dekan der Zagreber Wirtschaftsuniversität (ZSEM) gegenüber der Tageszeitung "Vecernji list".

Unternehmer zurückhaltend

Unternehmer zeigten sich jedoch zurückhaltender und warnten davor, dass sich ein Boykott für Kroatien als Bumerang herausstellen könnte. So sprach sich der Chef des großen kroatischen Bauunternehmens IGH, Jure Radic, gegen ökonomische Vergeltungsmaßnahmen aus, trotz des "unreifen und pubertären Verhaltens" des Nachbarlands, das "nur zufällig in die EU gekommen ist" und diese Position nun schamlos ausnütze. Der Chef des kroatischen Exportverbands, Darinko Bago, äußerte den Verdacht, dass Ljubljana mit Duldung anderer EU-Staaten gehandelt habe. "Vermutlich stehen Großbritannien, die Niederlande und andere Staaten hinter Slowenien. Interessant ist auch, dass Deutschland immer noch schweigt", sagte er.

Auch die Tageszeitung "Vecernji list" warnte vor einem Konsumboykott, der keine Lösung im Konflikt sei. "Ein Boykott wird zwar sicher Auswirkungen auf den Gewinn der Unternehmen haben. Vielen Kroaten wird das Genugtuung verschaffen. Doch was, wenn sich deswegen nicht Slowenen am Arbeitsamt wiederfinden werden, sondern Kroaten", so die Zeitung.

Nach Angaben der kroatischen Wirtschaftskammer (HGK) hat das bilaterale Handelsvolumen im ersten Halbjahr 1,469 Mrd. Euro betragen, um 20 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bis August betrugen die slowenischen Ausfuhren nach Kroatien etwa eine Mrd. Euro, während Slowenien für 630 Mio. Euro aus Kroatien einführte. (APA)