Studierende mischen mit im europäischen Einigungsprozess

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In der derzeitigen Debatte um die zukünftige Gestaltung der Europäischen Union wollen sich auch die europäischen Studenten Gehör verschaffen. "Quel nom pour l'Europe?", fragt Valéry Giscard d'Estaing, Präsident des EU-Reformkonvents und Sprecher der "Ersten Tagung des Europäischen Studentenkonvents" in die Runde. Von 15. bis 18. Jänner kamen 500 Studenten aus 20 Universitäten am Institut d'Etudes Politiques de Paris zusammen, um die Zukunft Europas zu sondieren.

"Monsieur le Président, unsere Umfrage hat ergeben, dass der Großteil der Studenten sich folgenden Namen für die zukünftige Europäische Union wünscht: Europäische Union", antwortet eine französische Studentin. Organisiert wie der "richtige" europäische Konvent, behandeln die Studenten in zwölf Arbeitsgruppen die großen Fragen zu einer allfälligen Reform der Europäischen Union.

Eine Europauniversität

In den Workshops findet man ein fast schon gewohntes europäisches Bild: Sprachengewirr, komplizierte Abstimmungsprozedere und Positionsdivergenzen. Europe as usual. "Wichtig ist, dass wir bemerken, welche Vielfalt Europa zu bieten hat und diese im europäischen Einigungsprozess als positiven Faktor nutzen", kommentiert dies Ioana Monica Logofatu von der Universität Bukarest.

Daniel Cohn-Bendit, gelegentlich als europäischer Motor bezeichnet, plädiert für eine Reform der europäischen Hochschulsysteme, welche mit der Schaffung einer Europauniversität in Straßburg Form annehmen soll. Für die Studierenden sind bei den Plenardiskussionen zwei Themen von besonderer Bedeutung: die Rolle Europas in der Welt und die Konservierung des europäischen Sozialmodells. Was Europa gegen die Armut in der Welt tun könne, fragt ein spanischer Student den französischen Premierminister Jean-Pierre Raffarin. Dieser, kurz irritiert, weist darauf hin, dass Europa der größte Spender an Geldern für die Entwicklungshilfe ist, um dann schnell hinzuzufügen: "Man wird sehen, was sich machen lässt."

In den Arbeitsgruppen sowie bei den Diskussionen in der französischen Nationalversammlung und der Nationalbibliothek - dort, wo auch europäische Künstler zu Wort kommen - ist immer wieder die Rede von den europäischen Werten als Kernstück des europäischen Projekts.

Fasst man am Ende der vier Tage die Atmosphäre der Konferenz und die allgemeine Situation in Europa zusammen, so waren sie divergent, ungewiss - und sehr spannend. Die nächste Tagung wird von 4. bis 6. Juli in Rom stattfinden.

(UNI-STANDARD, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.3.2003)