Wien - Kinderbetreuungszeiten, das höhere Risiko von Arbeitslosigkeit, mehr Teilzeitbeschäftigung - all das sind "Frauenprobleme", und daher treffe die geplante Pensionsreform Frauen stärker als Männer, sagt die Wirtschaftsforscherin Gudrun Biffl. Schon jetzt ist die durchschnittliche Frauenpension mit 678 Euro deutlich niedriger als die der Männer (1444 Euro). "Frauen kommen schwer auf die Beitragsjahre. Mit der Pensionsreform muss man die Arbeits- und Beschäftigungschancen für Frauen verbessern", fordert Biffl.

Generell sind es die Begleitmaßnahmen, die Arbeitsmarktexpertin Biffl bei der Pensionsreform vermisst. Die Maßnahmen an sich sieht sie als "Angleichung an andere EU-Länder" - mit einem großen aber: "Bei uns wird nur am Pensionssystem herumreformiert, aber man muss sich etwas für den Arbeitsmarkt für Ältere überlegen. Da kann man sich nicht nur auf die Konjunktur und den Markt verlassen." Gerade für Ältere findet Biffl die Verlängerung des Durchrechnungszeitraums (die Pensionshöhe soll im Endausbau nach 40 Arbeitsjahren, also praktisch allen, berechnet werden) problematisch: "40 Jahre sind sehr lang, damit wird Teilzeitarbeit bestraft. Das ist unlogisch und kurzsichtig, weil Teilzeitarbeit Ältere am Arbeitsmarkt halten könnte."

Frage nach Beamten

Der grüne Sozialsprecher Karl Öllinger findet noch etwas unlogisch - die Konzentration der Regierung auf Einsparungen im ASVG-Pensionsbereich. Steige doch der Bundeszuschuss für ASVG- Pensionen kaum - wenn man seriös rechne und etwa die Kindererziehungsersatzzeiten aus dem Kindergeld aus dem Familienfonds bezahlen lasse und nicht aus der Pensionsversicherung. Stark steige hingegen der Bundeszuschuss zu den Beamtenpensionen, daher müsse man "dringend bei Beamten etwas tun".

Experte Rürup lobt Eindämmung von Frühpensionen in Österreich

Lob kommt von Bert Rürup für die Reformschritte der österreichischen Regierung, insbesondere die Frühpensionen einzudämmen. Auf die Frage des STANDARD, was er davon halte, sagte Rürup vor Auslandskorrespondenten in Berlin: "Was bei den Frühpensionen und mit der Abfertigung neu geschieht, ist ein Schritt in die richtige Richtung." Rürup, der in Deutschland der Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme vorsteht und 1995-97 die große Koalition in Wien in Pensionsfragen beraten hat, wies jedoch darauf hin, dass man schon früher damit hätte beginnen können. Hätte man bereits 1997 mit Änderungen begonnen, hätte man längere Einschleifphasen gehabt.

Er erwarte, dass die Pensionsreform "ein wichtiges innenpolitisches Thema in Österreich bleibt", so Rürup. Gleichzeitig rechnet der Wirtschaftsprofessor damit, dass einige seiner Vorschläge wieder aufgegriffen werden. Anpassungen seien erforderlich: "Je länger man damit wartet, desto schwieriger wird es", sagte Rürup an die Adresse der österreichischen Regierung. Die schwarz-blaue Regierung habe es aber leichter, weil beispielsweise die Position des Gewerkschaftsbunds nicht mehr so ins Gewicht falle wie bei einer großen Koalition. Zwar gebe es bei der FPÖ noch immer Jörg Haider, der sich als Anwalt der kleinen Leute sehe. "Aber er hat seinen Zenit überschritten, der Lack ist ab."

In Deutschland sei das Problembewusstsein größer, dass Reformen im System durchgeführt werden müssten. Generell sei das österreichische System im Vorteil gegenüber dem deutschen, meinte Rürup. "Selbst ein abgespecktes System in Österreich ist noch sehr leistungsfähig. In Österreich kann man etwas wegnehmen, ohne an die Substanz gehen zu müssen." Das österreichische System der Sozialpartnerschaft erleichtere Reformen. (eli/afs/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.3.2003)