Wien - Pensionistin Helga hat einen einzigen Schmäh. Er funktioniert schon seit mehreren Jahrzehnten - manchmal schlechter, dann muss sie ihre Tätigkeit für ein paar Jahre Gefängnis unterbrechen, manchmal besser, dann verwaltet und verbraucht sie das Vermögen der nächstbesten Juweliere, Ärzte und Apotheker. Jetzt, als Angeklagte, steht ihr eine schlechte Phase bevor. Sie hat ihren Bekanntenkreis um 1,5 Millionen Euro ärmer gemacht. Dafür drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft.
Der Schmäh: Helga, eine scheinbar gute Seele aus Oberlaa, nobel wie aus der Kurkonditorei, ausgestattet mit charmanten Südwiener Umgangsformen, spürt reiche Leute auf, freundet sich mit ihnen an und verrät ihnen: Sie hat bei der Bawag gearbeitet (stimmt tatsächlich), kennt dort die Bosse und verfügt über sensationelle Veranlagungen. Wer ihr Geld anvertraut, kriegt 50 Prozent Zinsen. Das Frivole: Man hat es ihr geglaubt. Wer zauderte, dem stellte sie einen Wechsel aus. Wer das Geld zurückwollte, dem versprach sie noch höhere Gewinnausschüttungen. Die Laufzeiten verschoben sich unmerklich ins Jenseits.
"Sie war so herzig", erinnert sich eine Apothekerin. Sie vertraute ihr zwei Millionen Schilling an. Ein Zahnarzt gab ihr angeblich gar 14 Millionen. Eine Handtaschenverkäuferin vier, zwei Parfümerieangestellte drei, und so ging das von Geschäft zu Geschäft. "Ich war wie eine Hausbank für sie", sinniert die Angeklagte.
Helgas Geldveranlagung fand zumeist gleich bei der Boutique oder im Schmuckgeschäft ums Eck statt. "Ich hab’ schon sehr viel eingekauft", erinnert sich die Angeklagte: "Einmal gleich zehn Pelzmäntel." - "Anziehen können S’ doch immer nur einen", meint der Richter. "Keinen", widerspricht Helga. - Die Pelze will sie nie getragen haben. "Waren Sie im Kasino? Haben Sie gespielt?", fragt die Staatsanwältin besorgt. "Nur Lotto", erwidert die Pensionistin.
Zu dem Motiv ihrer Betrügereien sagt sie: "Ich hab ein gewisses Geltungs- und Mitteilungsbedürfnis." Sie geht dabei streng mit sich selbst ins Gericht: "Was ich getan habe, ist überhaupt nicht zu verzeihen. Es ist absolut vertrottelt. Ich hab’ es langsam satt." Nach dem Gefängnis wolle sie sich einer Therapie unterziehen. "Ich hoffe, dass ich das noch lebend machen kann", sagt sie.
Zur Höhe des Gesamtschadens gibt es Auffassungsunterschiede. "Der Euro ist mir noch ein bisserl fremd", gesteht die Angeklagte. Der Prozess wird vertagt. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.3.2003)