Kein Foyer für die Kunst, sondern eine Aula des Lernens: Auf dem neuen WU-Campus soll zeitgenössische Architektur der Spitzenklasse gedeihen. Hier: Zaha Hadid.

Foto: Heiland / Zaha Hadid Architects

Und Wien wird um eine Sehenswürdigkeit reicher.

Ein Wiener Phänomen: Es gibt Besuch aus dem Ausland, nach ein paar Tagen Hindernislauf durch die Historie dann die erwartungsvolle Frage nach sehenswerter zeitgenössischer Architektur. Unerträgliches Schweigen macht sich breit. Aber ja doch, die Bundeshauptstadt lebt von einem überaus guten Mittelmaß. Doch ein Highlight à la Kunsthaus Graz oder Zaha Hadids eisig glatte Hungerburgbahn in Innsbruck? Vergeblich.

Das soll sich bald ändern. Ab 2014 wird man neugierige und der Architektur gegenüber offenkundig aufgeschlossene Touristen nicht mehr mit Vorbehalt auf die Donauplatte schicken, sondern direttamente zum neuen Campus der WU. "Die neue Wirtschaftsuniversität ist ein Maßstabssprung für diese Stadt und für ganz Österreich", sagt Wolf Prix, Juryvorsitzender des internationalen Wettbewerbs um die Bebauung des 88.000 Quadratmeter großen Areals zwischen Messegelände und Prater.

Am Dienstag wurden die Preisträger der zweiten Stufe bekanntgegeben. Die Mischung könnte nicht internationaler sein. Herzstück des Campus ist das Library&Learning Center (LLC) von Zaha Hadid, die sich gegen die beiden Kontrahenten Hans Hollein und Thom Mayne (Zentrum der Hypo Alpe-Adria in Klagenfurt) durchsetzen konnte. "Es war keine leichte Entscheidung" , sagt Prix, "doch die WU als Nutzer hat sich eindeutig für dieses dynamische Projekt entschieden, weil sie sich damit am besten identifizieren konnte."

Wie ein Flaggschiff steht Hadids schnittig furioses Teil in der Mitte des Grundstücks. Während bei ihrem Wohnhaus in Wien-Spittelau dem Bauträger SEG in den Innenräumen sichtlich die Puste ausgegangen ist, geht's im Foyer der WU wacker wütend weiter. Wände neigen sich, Stege zischen durch den Luftraum, statt des rechten Winkels dominiert Zahas unverwechselbares Formenrepertoire.

"Uns war wichtig, ein Projekt zu wählen, das in der Lage ist, rundherum ein richtig starkes Powerfeld aufzuspannen" , erklärt Prix. Auch bei den übrigen Bauplätzen stehen die Sieger bereits fest: BUS-architektur (Wien) baut das Hörsaalzentrum, Carme Pinós (Barcelona), Peter Cook alias CRABstudio Architects (London) sowie der junge Japaner Hitoshi Abe (Sendai) bringen auf ihren Parzellen die unterschiedlichen Institute und Abteilungen unter. Am nordwestlichen Ende schließlich wird die Executive Academy in die Höhe wachsen – ein achtstöckiger eckiger schwarzer Turm der NO.MAD Arquitectos aus Madrid.

Campus mit Bilbao-Effekt

Die internationale Architekturmelange entzückt die Gemüter. "Jedes einzelne Projekt trägt der Campus-Idee auf besondere Weise Rechnung" , sagt Christoph Stadlhuber, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). WU-Rektor Christoph Badelt freut sich über 3000 Studentenarbeitsplätze – im alten Gebäude sind es nur tausend. Und Michael Holoubek, Jurymitglied und Vizerektor für Infrastruktur und Personal, schwärmt sogar: "Normalerweise pflege ich eine gewisse Distanz zu den Dingen, aber in diesem Fall geht das nicht. Der neue Campus ist ein tolles Ding, eine außergewöhnliche Kombination aus Weltarchitektur, die ihresgleichen sucht." Nachsatz: "Bilbao hat die Architektur zu einem Thema für alle gemacht. Ich bin davon überzeugt, dass uns hier etwas Vergleichbares gelingen wird."

Ein hochgestecktes Ziel. Tatsache ist: Wien ist keine Stadt der Bilbao-Effekte. Wenn nicht alle an einem Strang ziehen, wird die Vision in Windeseile vom Mittelmaß verdrängt. Beispiele dafür gibt's in Wien zur Genüge.

Die ersten Zugeständnisse der WU ließen nicht lange auf sich warten. Mit großer Sorgfalt wurde das Areal in g'schmackige Häppchen aufgeteilt und den Architekten zur Bearbeitung übergeben. An alles hatte man gedacht. Nur die Freiraumplanung bleibt wieder einmal auf der Strecke. Scheinbar ist niemand der Meinung, dass bei einem Campus dieser Größe – wohlgemerkt der erste in ganz Österreich – auch die Landschaftsfläche zwischen den Häusern eines Wettbewerbs würdig sei. 50.000 Quadratmeter Freiraum harren eines Plans.

"Einen Wettbewerb für den Freiraum wird es nicht geben" , erklärt Wolf Prix, dieser Bereich sei bereits Teil des Generalplanervertrags von BUSarchitektur. "Wir sind davon überzeugt, dass ein hervorragendes Konzept entwickelt wird. Und im Detail werden wir sicherlich noch Landschaftsplaner hinzuziehen."

Vision oder Mittelmaß? Wien-Phänomen oder Bilbao-Effekt? "Das Projekt ist eine großartige Chance für diese Stadt" , sagt Hitoshi Abe, einer der Sieger dieses Wettbewerbs. "Die neue WU hat zweifelsohne das Potenzial, ein moderner Campus des 21.Jahrhunderts zu werden."

Möge es gelingen, die Touristen eines Tages bei der Hand zu nehmen und sie in die Künste zeitgenössischer Wiener Architektur einzuweihen. Ganz ohne Vorbehalte. Baubeginn des 250 Millionen Euro teuren Projekts ist Ende 2009. Drei Jahre später soll der WU-Campus in Betrieb gehen. (Wojciech Czaja, ALBUM – DER STANDARD/Printausgabe, 20./21.12.2008)