Für die Unis wird "im Endeffekt mehr als zehn Prozent zusätzlich ausgegeben" , sagt Johannes Hahn: "Aber die Unis bekommen nicht mehr als zehn Prozent." Die "Crux" heißt Studiengebühren-Ersatz.

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Standard: Die neue rot-schwarze Regierung mutet ja schon fast wie das personifizierte schlechte Omen für die Universitäten, die Wissenschaft und die Forschung an. Alle paar Tage kommen neue Hiobsbotschaften. Was läuft da schief?

Hahn: Natürlich muss eine Regierung vor dem Hintergrund einer angespannten Wirtschaftslage nachdenken, wie sie diesen Herausforderungen bestmöglich begegnet und wohin der notwendige Mitteleinsatz geht. Mein Ansatz ist der athletische Staat, der hilft, wenn's nötig ist, der sich dann aber auch wieder zurückzieht. Ich sage klar, Wissenschaft und Forschung sind Beschäftigungs- und Wachstumsmotoren. Die Erfindungen und Entdeckungen von heute sind der Wohlstand von morgen. Daher dürfen wir da nicht lockerlassen.

Standard: Im Forschungspfad, den Ihre Regierung vereinbart hat, fehlen aber fast zwei Milliarden Euro. Die "alte" rot-schwarze Regierung sagte für Forschung und Entwicklung von 2009 bis 2013 plus 2,3 Milliarden Euro zu. Die neue schreibt nur 350 Millionen hinein. Das ist doch der Tod der Forschung.

Hahn: Das kann man als abgehakt betrachten, weil das nicht mehr der Diskussionsstand ist. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Tagen ziemliche Klarheit über den Forschungspfad haben werden.

Standard: Sie garantieren, dass die zwei Milliarden bis 2013 kommen?

Hahn: Was kommt, kann ich noch nicht sagen, aber ich gehe davon aus, dass es sich in diesen Größenordnungen bewegen muss. Sonst müssen wir ja alle laufenden Projekte zusperren, bei der Bedeutung der Forschung für die Konjunktur kann das niemand wollen. Aber ich will mich jetzt nicht auf eine finale Ziffer festlegen. Es hat hier unterschiedliche Einschätzungen gegeben. Ich sehe überall aber auch das Positive: Die Diskussion hat letztlich dazu geführt, dass sich viel mehr Leute mit der Bedeutung von Forschung und Lehre auseinandergesetzt haben als vorher. Das ist durchaus ein nachhaltiger Benefit dieser Diskussion.

Standard: Es war also kein banaler Tippfehler, dass im Regierungsprogramm zwei Milliarden Euro fehlen, sondern es gab tatsächlich Leute, die meinten, man könnte für die Forschung zwei Milliarden Euro streichen?

Hahn: Das weiß ich nicht. Rückblickend würde ich sagen, wenn ich gewusst hätte, welchen Bewusstseinswerdungsprozess man damit bei vielen politischen Verantwortungsträgern auslösen kann, dann hätte ich diese Geschichte von mir aus inszeniert.

Standard: Wen haben Sie denn überzeugen müssen?

Hahn: Na ja, andere Regierungskollegen. Finanzminister Josef Pröll ist definitiv ein Politiker, der das Herz am rechten Fleck hat und der auch nachvollziehen kann, was notwendig ist.

Standard: Wie viel Geld hat er Ihnen denn zugesagt?

Hahn:Wir fangen erst an mit den Budgetverhandlungen.

Standard: Sie haben ja sehr niedrig angesetzt. Sie sagten, die Unis müssen sich auf nur 100 bis 300 Millionen Euro im Schnitt in drei Jahren einstellen. Deren Minimalforderung waren immer 600 Millionen Euro mehr. Eine beachtliche Fallhöhe.

Hahn: Ich erinnere daran, dass die Universitäten jedes Jahr aufgrund der Parlamentsbeschlüsse vom 24. September mit einem Minus von 150 Millionen Euro starten. Das sind sieben Prozent des heutigen Uni-Budgets. Das haben SPÖ, Grüne und FPÖ zu verantworten. Der Wegfall der Studiengebühr muss kompensiert werden. Kompensieren heißt aber Ersatz, nicht zusätzliches Geld.

Wenn wir jetzt noch etwas dazubekommen, wovon ich ausgehe, und ich die 150 Millionen Ersatz dazurechne, bedeutet das de facto, für die Unis werden im Endeffekt mehr als zehn Prozent zusätzlich ausgegeben. Aber die Unis bekommen nicht mehr als zehn Prozent. Mehr wird es leider nicht sein, weil wir diese 150 Millionen Euro aufholen müssen. Das ist die Crux an der ganzen Geschichte.

Standard: Wenn die Österreichische Akademie der Wissenschaften - gewiss kein Hort der unüberlegten oder rechenunfähigen Leute - sagt, wir müssen 150 Mitarbeiter wegen Geldnot zur Kündigung beim Arbeitsmarktservice anmelden, dann ist doch Feuer am Dach.

Hahn: Ja, aber auch das wurde ausgelöst durch die Meldung, es wird nur 350 Millionen Euro geben. Ich sehe auch das als Teil der Bewusstseinswerdungskampagne, welche Folgen diese finanzielle Dotierung hätte. Wir können als öffentliche Hand natürlich nicht alles kompensieren. Wenn uns jetzt die Hiobsbotschaft erreicht, dass die Notenbank für die Nationalstiftung statt der geplanten 80 Millionen Euro - was ja schon deutlich weniger ist als die seinerzeitigen 125 Millionen - nächstes Jahr nur zehn Millionen bereitstellt, so sind das Mittel, die irgendwo fehlen.

Standard: Die Nationalbank dreht auf null, die zehn Millionen kommen aus dem ERP-Fonds, einem Überbleibsel des Marshall-Plans nach dem Krieg. Wird der Staat die Verantwortung übernehmen, wo der Markt offenkundig versagt hat, wie bei den inexistenten Veranlagungsgewinnen der Nationalbank?

Hahn: Ich habe bereits Kontakt mit Notenbank-Gouverneur Professor Nowotny aufgenommen und sehe bei ihm Verständnis für die Anliegen von Forschung und Wissenschaft. Uns erreichen täglich Botschaften, wo es im nationalen und internationalen Umfeld Schwierigkeiten gibt. Man darf hier nicht überhitzt reagieren. Klar ist: Der Staat kann nicht alles ausgleichen. Ich werde zu Jahresbeginn bei den Budgetverhandlungen schauen, wie der Status ist, und dann versuchen, die Mittel schwerpunktmäßig aufzustellen und zu verteilen.

Standard: Ist es klug, so einen wichtigen Bereich wie die Forschungsfinanzierung so stark dem Markt anzuvertrauen oder auszuliefern?

Hahn: Als wir das geschaffen haben, haben alle jubiliert über die neue Quelle. Wir müssen auch hier die Kirche im Dorf lassen. Im Prinzip ist es nach wie vor richtig, dass die Förderung von Forschung und Entwicklung auf einer Vielzahl von Beinen steht, weil das auch eine gewisse Stabilität darstellt. Es kann ja auch wieder eine Konstellation eintreten, wo Erträge aus Finanzveranlagungen und Wirtschaftserträge wieder zunehmen, und dann sind wir wieder alle happy.

Standard: Im Moment scheinen aber alle Beine auf einmal niederzubrechen. Muss da nicht der Staat helfend einspringen?

Hahn: Das ist eine grundsätzliche philosophische Frage. Es ist ja offenkundig so, dass wir mit der gravierendsten Herausforderung konfrontiert sind seit dem legendären Jahr 1929. Es ist die Frage, was ist die Aufgabe des Staates in so einer Situation? Wir erleben jetzt eine Diskussion, wo gesagt wird, der Kapitalismus oder die Marktwirtschaft ist in Bausch und Bogen gescheitert, und jetzt kehren wir wieder zur lieben, alten staatlichen Planwirtschaft zurück. Das halte ich für den falschen Zugang. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD Printausgabe, 20./21. Dezember 2008)